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Autor: Tilmann P - Landesmedienzentrum Baden-Württemberg

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Motivierung, schon gar nicht um Dostojewskische Psychologie. Wir sind in einer noch<br />

inwendigeren, noch sublimeren, freilich auch noch weniger kontrollierbaren Schicht.<br />

Dennoch darf man, Dostojewski abwandelnd, sagen: in jener Tiefe, in der die sittlichen,<br />

existentiellen und sprachlichen Entscheidungen fallen, läßt sich alles, Bilder, Begriffe,<br />

Realitäten und Irrealitäten, Außen- und Innenwelt mischen. Alles ist in einen neuen<br />

Aggregatzustand übergegangen und ist plötzlich miteinander verwandt – ähnlich wie es<br />

André Breton im Second Manifeste du Surréalisme formuliert: Es gibt »einen gewissen<br />

Punkt im Geiste, wo das Leben und der Tod, das Reale und das Imaginäre, die<br />

Vergangenheit und die Zukunft, das Mitteilbare und das Nichtmitteilbare nicht mehr als<br />

Gegensätze empfunden werden«.<br />

Nun ist Hörspiel gewiß nicht gleich Surrealismus. Die Irrealität im Hörspiel kommt aus der<br />

sozusagen »natürlichen« Irrealität der Sprache und des Wortes. Dennoch hat das<br />

Hörspiel mancherlei mit dem Surrealismus zu tun, mindestens so viel wie die übrige<br />

moderne Kunst, die ganz allgemein an dieser Stilrichtung gewachsen ist.<br />

Die Reihenfolge der aufgezählten Hörspieltypen ist vor allem auch als eine Dialektik<br />

zwischen Realismus und Sprache zu verstehen. Kein Wunder, daß realistisch begonnen<br />

wurde: die Anfänger waren ja kleine <strong>Autor</strong>en, die grundsätzlich und zu jeder Zeit<br />

realistisch schreiben. Darüberhinaus drängt die durchaus richtige Vorstellung, daß das<br />

Hörspiel dialogisches »Spiel« und Handlung ist, in die Richtung zum dramatischen<br />

Realismus. Wogegen die Tatsache, daß man dabei die nicht sichtbaren Figuren erst<br />

einmal präsentieren muß, ehe man sie sprechen lassen kann, daß jede Figur erst mit<br />

Worten zu exponieren und zu »erschaffen« ist, zum Epischen drängt. Wiederum aber, da<br />

man aus Spirituellem, aus bloßer Sprache formt, kann aller Realismus – ob dramatisch<br />

oder episch – nie ganz gelingen.<br />

Sanfte Gemüter weichen hier kurzschlüssig ins »volkhaft« stilisierte Reimspiel aus. Seine<br />

in unsern Mündern allerdings nicht mehr ganz redliche Naivität gemäß dem Kindervers:<br />

»Ich bin der Meister Hildebrand und lehn’ den Stock an eine – Mauer«, vereinigt alle<br />

Möglichkeiten, scheint durch grotesken Knittelrealismus erst interessant zu werden. Ein<br />

Beispiel dafür ist Ernst Wiechert mit seinem für den Rundfunk geschriebenen, aber im<br />

Zusammenhang mit dem Hörspiel dennoch kaum erwähnenswerten Spiel vom deutschen<br />

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