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Autor: Tilmann P - Landesmedienzentrum Baden-Württemberg

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Akzidenzcharakter. Es ändert ja auch nichts am Akzidenzcharakter einer Farbe auf einem<br />

Gemälde, daß sie außer ihrem Farbwert, wie jeder Maler weiß, auch noch einen<br />

Tiefenwert hat. Nur dies hat der Hörraum mit dem Raum auf einem farbigen Bild<br />

gemeinsam, denn darüber hinaus ist ein Bild zweidimensional und kann Tiefe auch noch<br />

perspektivisch-linear darstellen. Im Hörspiel aber kann es keine akustische Perspektive<br />

geben, weil es kein Rechts und kein Links gibt. Und auch der Tiefenwert der akustischen<br />

»Farben«, des Raumklangs, der allen Worten und Tönen aufgeprägt ist, wird heute kaum<br />

mehr, oder nur noch sehr sparsam, zur Erzeugung von realen Raumvorstellungen und<br />

von Bewegungsillusion im Raum gebraucht. Es geht dabei vielmehr meist um Schaffung<br />

akustischer Schichten (sich abwechselnder oder gleichzeitiger), für die schon Reinacher<br />

das klassische Beispiel gab: die Hacke des Mönchs im Hintergrund – davor der<br />

Vordergrund der Spötter – und dadurch die Möglichkeit zur Symbolbeziehung beider<br />

Schichten zueinander.<br />

Wenn ein Vergleich für positive, schöpferische Verwendung von Raumakzidenz im<br />

modernen Hörspiel versucht werden soll – er wird natürlich wie alle Vergleiche hinken -,<br />

dann könnte man etwa an die Verwendung verschiedener Schrifttypen in einem modernen<br />

Prosasatz erinnern, wobei dieses Bild sogar bis in die graphische Geschmacksvorschrift<br />

hinein fortgesetzt werden kann: daß man den Wechsel und das Durcheinander von<br />

Schrifttypen bzw. von verschiedener Raumakzidenz möglichst nicht zu weit treiben,<br />

sondern es bei einer großflächigen Kontrastwirkung bewenden lassen soll, die immer<br />

Sinnbezug haben muß. Ein anderes Analogon: man geht mit Raumwechsel im Hörspiel<br />

ähnlich um wie die Barockmusik mit Tempo- oder Dynamikwechsel (Terrassendynamik).<br />

Im übrigen: da monauraler Raum stets nur Akzidenz eines Hörbaren sein kann, ist auch<br />

sofort einzusehen, daß er in die gleiche Kategorie gehört wie die anderen Möglichkeiten<br />

akzidentieller Veränderung von Worten und Tönen, über die die Technik verfügt:<br />

angefangen von bloßen Verzerrungen (Frequenzberaubungen in verschiedenen Lagen),<br />

durch die die Stimmen entweder spitzer oder voluminöser wirken, bis zum vollständigen<br />

Auseinandernehmen und Wiederzusammensetzen realer akustischer Daten (musique<br />

concrète) und bis zum Basteln mit akustischen Elementen (Sinuskurven). Da die Technik<br />

damit in die Domäne des Inspizienten und des Musikers vordringt, die ursprünglich für die<br />

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