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Autor: Tilmann P - Landesmedienzentrum Baden-Württemberg

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Zwischenszenen- oder Untermalungs-Musiken Stimmung zu schaffen suchte, während<br />

Geräusche Realität notieren sollten, weiß man jetzt, daß es eine scharfe Trennungslinie<br />

zwischen den Verwendungsarten beider nicht gibt. Die Hörspielmusik hat sich inzwischen<br />

von aller Stimmungsmalerei, das Hörspielgeräusch vom Realistischen wegentwickelt. Das<br />

aber bedeutet, daß beide sich in gewisser Weise aufeinander zu entwickeln mußten, daß<br />

das Geräusch sich zur Musik hin sublimiert, die Musik sich zum Geräusch hin konkretisiert<br />

hat. So helfen sich beide zum Wort hin, das ja sublim und konkret ist, gewinnen etwas wie<br />

»Wortcharakter«.<br />

Ich zitierte Lessing, der dargelegt hat, wie Musik infolge ihrer einseitig<br />

»sentimentalischen« Natur die Entfaltung des Worts verhindert, das an sie gebunden ist,<br />

wofür die Oper das Beispiel abgibt. Dem Wort wird dann der ganze Bezirk verschlossen,<br />

in dem die Musik wohnt und von dem es einen großen Teil mit ihr gemeinsam hat. Das<br />

bedeutet, daß das Wort sich auf die simple, reale Mitteilungsaufgabe beschränken muß.<br />

Nun beansprucht die dichterische Sprache aber an sich genau die Mitte auf der Skala<br />

zwischen dem Schwärmerisch-Melodischen über ihr und dem Nüchtern-Registrativen<br />

unter ihr. Deshalb müssen, um in ein Sprachwerk einzugehen, auch die dienenden Mittel<br />

sich auf die Wirkungsweise und Wirkungsbreite dieser Mitte umwandeln lassen, müssen<br />

sich dem Wortcharakter fügen. ∗<br />

Doch handelt es sich bei alledem ja nicht um isolierte Vorgänge, die nur im und am<br />

Hörspiel zu beobachten sind; die gesamte Elektronik wie die musique concrète auf der<br />

Skala zwischen Musik und Geräusch erreichen, vor allem im Grotesken, Bizarren und<br />

Absurden, deutlich genug diesen »Wortcharakter«.<br />

Nun soll Elektronik hier nicht etwa als einzig mögliche Patentlösung oder als alltägliches<br />

Küchengewürz bei der Hörspielherstellung angepriesen werden. Gegen Kunstmittel und<br />

Kunstrichtungen, denen man Ausschließlichkeitsanspruch oder Patentcharakter<br />

nachrühmt, sollte man äußerst mißtrauisch sein. Außerdem wird bei musikalischer<br />

Abstraktion, besonders bei ihrer praktischen Anwendung, die Grenze zur bloßen Spielerei<br />

(z. B. zur Trickfilm-Koloristik) beinahe leichter überschritten als bei einer modischen Art<br />

∗ Die Bemerkung Lessings scheint auf die modernen Operntexte nicht mehr zuzutreffen, der Text ist<br />

gleichberechtigt in den Vordergrund getreten. Aber ist es nicht so, daß in der Entwicklung seit Wagner<br />

bestimmte eminent musikalische Elemente der Musik immer mehr aufgegeben wurden und die Musik<br />

zunehmend psychologischer und »literarischer« geworden, also auch auf die Mitte zurückgewichen ist?<br />

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