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Autor: Tilmann P - Landesmedienzentrum Baden-Württemberg

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Das heißt: das Theater kommt nicht vom »Bedeuten« los, kann niemals durch die<br />

Sprache vom »Bedeuten« zur Einheit des Seins gelangen – ganz gleich, ob das<br />

Erfundene und das Wirkliche in betonter Verfremdung nebeneinandergestellt werden oder<br />

ob sie sich zu verschmelzen suchen. (Bei Dürrenmatt im Blinden, wo uns der Blinde mit<br />

Worten eine ganz andere, heile Welt sehen lassen will, im Gegensatz zu der Ruinenwelt<br />

auf der Bühne, fallen das Bild aus Sprache und das wirkliche Bild sogar absichtlich ganz<br />

auseinander.)<br />

Was Ionesco einmal für den Roman in Anspruch nimmt, gilt auch für das Hörspiel:<br />

»Roman, Musik, Malerei sind reine Fiktionen und enthalten keinerlei fremde Elemente,<br />

darum bestehen sie in sich selber, darum sind sie zulässig.« Dabei ist das Hörspiel doch<br />

eine darstellende Kunst. Man kann als Kennzeichen, als dritte Definition gradezu<br />

formulieren: das Hörspiel ist die einzige darstellende Wortkunst, bei der durch die<br />

Darstellung keine fremde, keine kompakte Wirklichkeit in die imaginäre Wirklichkeit aus<br />

Sprache hineinkommt.<br />

Zu der imaginären Wirklichkeit des Hörspiels, die nur im Wort und durch das Wort besteht,<br />

gehören dann seltsamerweise auch und sogar diejenigen, aus deren Mund das Wort kam,<br />

die Personen, durch die das Wort hindurchtönt und die man eigentlich gar nicht mehr mit<br />

dem Begriff »Darsteller« bezeichnen kann. Sie stehen nicht da und sie stellen nicht dar,<br />

sie sind weder »Träger« von Ideen noch überhaupt »Träger« von irgendetwas, sondern<br />

werden getragen und dargestellt: durch ihr eigenes Wort. Sie müssen sich in den Hörern<br />

sprechend selbst schaffen.<br />

Was hier beschrieben wird, ist übrigens nicht so wunderlich, wie es auf den ersten Blick<br />

scheinen will. Nur für ein Wortkunstwerk ist ungewöhnlich, daß etwas dargestellt wird,<br />

ohne durch die Realität der Darsteller mit kompakter Wirklichkeit belastet zu werden. In<br />

der Musik sind wir den gleichen Vorgang längst gewöhnt. Wenn wir den Begriff »Sinfonie«<br />

aussprechen, denken wir niemals zuerst an gedruckte schwarze Notenköpfe in einer<br />

Partitur, sondern an ein Klanggeschehen. So ist auch ein Hörspieltext natürlich nicht<br />

Hörspiel.<br />

So ist allerdings auch ein gedruckter Schauspieltext noch nicht Schauspiel, auch er wird<br />

es erst durch die Aufführung und zusammen mit ihr. Aber der Übergang vom Text zur<br />

Aufführung ist dabei doch von ganz anderer Art – sozusagen Verwandlung aus einem<br />

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