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Autor: Tilmann P - Landesmedienzentrum Baden-Württemberg

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kantischen Preußentums, dargestellt am Vorgang der Übergabe Königsbergs an die<br />

Russen – steht schon auf der Schwelle zum Theater und hatte eine außergewöhnliche<br />

Wirkung auf dem Bildschirm. Ähnlich ist das Verhältnis zwischen Siegfried Lenz’ Das<br />

schönste Fest der Welt, diesem grotesken Fest der Millionäre, die sich von den beiden<br />

anwesenden Ganoven nur noch durch das Kostüm, also gar nicht mehr, unterscheiden,<br />

und seinen beiden Hörspielen Zeit der Schuldlosen und Zeit der Schuldigen, denen ich<br />

schon bei der Ablieferung durch den <strong>Autor</strong> eine wesentlich größere Theater- als<br />

Funkwirkung voraussagte. Dennoch sind die beiden Stücke – Modell: eingeschlossene<br />

Gesellschaft, die erst nach Lösung einer gestellten Aufgabe wieder freigelassen wird –<br />

auch als Hörspiele äußerst wirksam.<br />

Es gibt nun einmal diesen Punkt, an dem sich Theater, Hörspiel und nun auch das<br />

Fernsehspiel berühren, Walter Höllerer hat seine Aktualität mit Scharfblick erkannt: den<br />

Einakter. Hier könnte unsere Zeit, hier könnten alle drei Instrumente, hier müßte aber vor<br />

allem das Fernsehen schöpferisch werden. Der Einakter ist eine äußerst moderne Form,<br />

die seit Schnitzler und Wedekind zur Erfüllung drängt. Freilich, unsere großen Bühnen<br />

werden dazu wenig tun, sie kommen von ihrer nur durch die Gesellschaftsentwicklung<br />

erklärbaren, künstlerisch zufälligen Tradition mit großer Pause, Star- und Rangsystem<br />

nicht los. Wie sollen sie auch, da sie durch Subventionen saturiert sind – nicht nur durch<br />

Subventionen an Geld, sondern auch an Anteilnahme unserer Presse? (Fast scheint es<br />

uns schon selbstverständlich, daß etwa eine Clavigo-Neuinszenierung in Gelsenkirchen<br />

doppelt so viel Publizität hat wie ein modernes Fernsehspiel und mindestens fünfzigmal<br />

so viel wie eine Dürrenmatt oder Hildesheimer-Uraufführung im Funk.)<br />

Bleiben also zur Förderung von Formen wie der des Einakters die Instrumente, in denen<br />

heute moderne Literatur geschieht: Kellertheater, Rundfunk und (wenn die Entwicklung<br />

anders wird, als sie jetzt läuft) vielleicht auch das Fernsehen. Im Rundfunk ist der Einakter<br />

trotz allem immer ein extremer Grenzfall. Am meisten Chancen aber müßte die Gattung<br />

eigentlich im Fernsehen haben: hier könnte sie geradezu eine der beiden Möglichkeiten<br />

reiner Spielform sein – neben der optischen, die von der Beweglichkeit des filmischen<br />

Orts- und Bildwechsels Gebrauch macht und in der das Wort zurücktritt, die dramatische,<br />

in der das Bild vor allem der Wiedergabe des Mimus dient und auf diese Weise mit dem<br />

Wort gleichberechtigt wird: das Gesicht des Sprechenden ist ja das Gesicht des Worts.<br />

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