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Autor: Tilmann P - Landesmedienzentrum Baden-Württemberg

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Person. Freilich ist das Hörspiel zugleich auch eine darstellende Kunst – und so will in ihr<br />

niemand, selbst der Erzähler nicht, bloß erzählen. Darum setzt er sich, um sich zur<br />

Darstellung Raum zu verschaffen, zugleich auch eine »Maske« auf. Beispielshalber die<br />

des Tigers Jussuf. Jussuf kann dann wiederum viele verschiedene »Masken« besitzen,<br />

bei deren Wechsel er jedoch immer derselbe bleibt, denn die Einheit der Person ist im<br />

Hörspiel nicht durch die äußere Gestalt gegeben.<br />

Und dies ist also das Dritte, was durch den Darsteller ins Hörspiel kommt – neben dem<br />

Spontan-Improvisatorischen und dem Zeugnishaften (das durch die Einheit der Stimme in<br />

Atemhauchnähe so vertrauenswürdig wirkt): die Möglichkeit, daß die Stimme sich –<br />

unkontrollierbar – einen beliebigen Namen gibt.<br />

Hier wird man einwenden, daß dieses Identisch- und zugleich Maske-Sein genauso auch<br />

der Darstellung auf der Bühne eigentümlich sei. Doch ist der Unterschied der, daß dort die<br />

Person in die Maske sich verwandelt, wie man sagt: in die Maske »hineinschlüpft«,<br />

während hier jede »Maske« in der Person (in der Stimme) aufgeht. Eigentlich gibt sich die<br />

Stimme wirklich nur einen beliebigen Namen und von »Maskierung« kann kaum die Rede<br />

sein.<br />

Verwandlungen zweiten Grades, also solche, bei denen ein Darsteller auf offener Bühne<br />

bzw. bei laufendem Hörspiel seine Rolle wechselt, machen das ganz deutlich. Im<br />

Barocktheater war es eine Selbstverständlichkeit, daß einer, der sich verkleidet, von allen<br />

Mitspielern für den gehalten wurde, dessen Rolle er mit der Verkleidung übernahm; spielt<br />

er dagegen eine Doppelrolle, so will die Tatsache, daß in ihm nun sogar der Zuschauer<br />

den einen mit dem andern verwechselt, realistisch motiviert sein: die beiden sind Brüder,<br />

oder einer von beiden ist ein Gott, der in jede Gestalt schlüpfen kann. Anders im Hörspiel.<br />

Bei dem Identitätswechsel von Ellen und Camilla in Günter Eichs Die Andere und ich<br />

bleibt Ellen Ellen und Camilla bleibt Camilla; das beliebte Problem der Regisseure aber,<br />

ob man die beiden mit einer oder mit zwei Darstellerinnen besetzen solle, ist irrelevant.<br />

Camilla ist Ellen ohnehin nur in Ellens Traum und kann deshalb nach Belieben mit eigener<br />

oder Ellens Stimme gedacht werden. Nur am Schluß in der Neufassung geht Ellen wirklich<br />

als Ellen ins Fischerhaus und spricht mit den Fischern: um dieser Wirkung willen würde<br />

ich der Rolle zwei Darstellerinnen geben. Dagegen ist Eichs Tiger Jussuf ein Sonderfall.<br />

Hier ist die Verwirrung als Thema des Stücks von Anfang an gewollt; der Tiger und Max<br />

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