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Autor: Tilmann P - Landesmedienzentrum Baden-Württemberg

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Unmöglichen. »Die Fische sollen singen, die Elefanten auf Wolken schlafen – es ist<br />

immer der gleiche Fehler. Kein Blick für das Mögliche«, spottet Belial. Der Teufel kann<br />

natürlich nicht zugeben, daß das Paradox zwar nicht intellektuell, wohl aber durch ein<br />

entschlossenes Tun, wie es Festianus auf sich nehmen wird, durch Mittragen und<br />

Mitleiden, überwunden werden kann.<br />

Aber sehen wir vom religiösen und sittlichen Aspekt der Geschichten Eichs ab und kehren<br />

wir zu ihrem sprachlichen und poetologischen zurück:<br />

Auch die Albingenser scheinen aus ihrer geistlichen Armut die Konsequenz einer<br />

poetischen Welthaltung gezogen zu haben: die Troubadours sind mit ihnen eng verwandt,<br />

wahrscheinlich nur eine andere Erscheinungsform der gleichen Geisteshaltung. Auch sie,<br />

da sie um der geistlichen Besitzlosigkeit willen von keiner dogmatischen Verhärtung<br />

wissen wollten, haben sich dann folgerichtig nur in der nichtbegrifflichen, konkreten<br />

Sprache ausdrücken können: in einer Sprache, in der alles, was durch sie verwirklicht<br />

wird, auch sogleich wieder verlischt, so daß nie etwas bleibt, was Anspruch erhebt, ohne<br />

den sprechenden, Liebe bekennenden Mund zu existieren. So wanderten sie durch die<br />

Provence und wollten nichts anderes tun als singen und erzählen – auch wenn es sich<br />

manchmal nur um so erbärmliche aber bemühte, fragmentarische aber mitleidige<br />

Geschichten gehandelt haben mag, wie sie Festianus der Octavia erzählt, während er ihr,<br />

der in der Höllenpein Versinkenden, den schmerzenden Kopf hält.<br />

Die entschlossene Einstellung gegen jede Rettung in Ideologie und Transzendenz<br />

bedeutet nichts anderes als eine vollständige Absage an das Wort im Dienste der<br />

Abstraktion und an jede Wahrheit, die (wenn auch nur vermeintlich und scheinbar)<br />

außerhalb der Sprache, vor der Sprache und ohne die Sprache existiert, und für die dann<br />

die Sprache nur Mittel wäre. Sie bedeutet letzte Bescheidenheit gegenüber aller absoluten<br />

Erkenntnis und natürlich erst recht gegenüber dem »fortschrittlichen« Wissen, das Macht<br />

geworden ist und das Erde und Weltall technisch beherrschen zu können sich anmaßt.<br />

»Unser Denken«, sagt Dürrenmatt einmal, »ist immer mehr und zwangsläufiger aus der<br />

Domäne des Worts herausgetreten und mathematisch-abstrakt geworden. Natürlich kann<br />

ich eine mathematische oder physikalische Formel auch durch Sprache wiedergeben...,<br />

doch stoße ich damit gleichsam in eine sprachlich dünne Luft vor. Die Sprache verliert ihre<br />

wichtigste Bestimmung, die der Unmittelbarkeit nämlich, sie wird zu schwerfällig, sie muß<br />

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