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Autor: Tilmann P - Landesmedienzentrum Baden-Württemberg

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Man vergegenwärtige sich noch einmal, wie weit diese Forderungen an die Sprache von<br />

Brechts pädagogischem und mechanischem Sprechen und von seiner Angst entfernt<br />

sind, »durch Hineinfühlen von der Masse zu trennen«.<br />

BRECHT UND DIE SPRACHE DES HÖRSPIELS »LUKULLUS«<br />

Andrzej Wirth schreibt in einem Aufsatz des zweiten Brecht-Sonderhefts von Sinn und<br />

Form (1957) folgendes:<br />

»Der programmatische Anti-Emotionalismus Brechts war eine Reaktion auf die Entartung des<br />

Emotionellen im bürgerlichen Theater, er richtete sich vor allem gegen die Theorie und Praxis<br />

des »Einfühlens« und der »Kontemplation«. In der Hitze der Polemik verwandelte sich der<br />

notwendige Kampf gegen die Entstellung des Emotionellen in eine Bekämpfung jeglicher<br />

Emotion. Das mußte auch die Form der politischen Didaktik in den frühen Versuchen Brechts<br />

beeinflussen; sie wurde zu einer mechanischen und abstrakten Belehrung. Die Hauptaufgabe<br />

des Chors in jener Zeit war das Kommentieren der Handlung vom Standpunkt des Kollektivs<br />

(der Partei) und das Ziehen von Schlüssen, die die Philosophie des Kollektivs (der Partei)<br />

ausdrückten. Es war eine Didaktik der eindeutigen Behauptungen, die es vermied, etwas nicht<br />

zu Ende zu sprechen ... Diese einseitige Auffassung von den erzieherischen Aufgaben des<br />

Theaters hat Brecht mit der Zeit überwunden.«<br />

Ich glaube, wenn man diese Überwindung und Verwandlung Brechts recht verstünde,<br />

gäbe es nicht so leicht Streit darüber, ob Brecht im Westen »tragbar« ist oder nicht. Wirth<br />

charakterisiert die spätere Methode des Dichters so: »Statt des einfachen Moralisierens<br />

und schulmeisterlichen Belehrens – das Wecken des moralischen Zweifels.« Das ist<br />

allerdings ein Siebenmeilenschritt. Er führt vom Dogma zum Gewissen, vom Buchstaben<br />

zum Geist.<br />

Über wieviel Gefühl für die Sprache des Hörspiels dieser neue, menschlichere Brecht<br />

verfügt, zeigt seine zweite Funkarbeit: Das Verhör des Lukullus. Sie zeigt es umso<br />

unwiderleglicher, als gleichzeitig in diesem Stück (freilich von Brecht mit nachträglichem<br />

Gehorsam eingefügt) die Korrekturen des »Ministeriums für Volksbildung« erkennen<br />

lassen, was es bedeutet, wenn Brecht später darauf verzichtete, »zu Ende zu sprechen«.<br />

Denn haargenau darum geht es: das Ministerium hat ihn in diesem Fall noch einmal »zu<br />

Ende zu sprechen« gezwungen oder – was nicht viel Unterschied ausmacht –<br />

nachdrücklich dazu überredet. Man kann nunmehr an diesem Nullpegel kommunistischer<br />

Ministerialbürokratie abmessen, wie hoch trotz allem intellektuellen Abbruch, den er sich<br />

gelegentlich selber tat, der Monte Rosa Brecht in die Höhe reiner Poesie und<br />

Menschlichkeit aufragt.<br />

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