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Autor: Tilmann P - Landesmedienzentrum Baden-Württemberg

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Möglichkeit war. Doch ist diese natürliche Art des Zeitraffens beim Erzählen in unserm<br />

Zusammenhang nicht gemeint. Die Überwindung der Zeit, der Zeitsprung, ist nur da ein<br />

Problem und nur da als eigenes Kunstmittel anzusprechen, wo die Fiktion eines<br />

minutiösen Ablaufs besteht: also in erster Linie in den Künsten, die durch Darstellung<br />

zustande kommen; im Roman und in der Erzählung bloß in den Werken, die den<br />

Anspruch erheben, eine Kontinuität im Zeitablauf einzuhalten. Was die darstellenden<br />

Künste betrifft, so steht die Schwierigkeit der Zeitsprünge und Rückblenden im Theater,<br />

im Film und Fernsehen im genauen Gegensatz zu der Leichtigkeit, mit der sie das<br />

Hörspiel handhabt – darin von keiner Kunstgattung des Worts und der Sprache<br />

übertroffen. Aber das Hörspiel kann nicht nur Zeitabläufe verkürzen, sie umkehren und<br />

vor- und zurückspringen, es hat auch die Möglichkeit der Zeitdehnung, kann Sekunden<br />

und Augenblicke in die Breite spreizen und ihre Inhalte in einer Art extensiver Intensität<br />

darstellen: ein Verfahren, das sogar häufig ist (Schäfers Fünf Sekunden des Mahatma<br />

Gandhi, Heinz Hubers 12 Uhr 2 Minuten 14 Sekunden, Weyrauchs Minute des Negers und<br />

viele andere). Auch der Zeithalt spielt gelegentlich eine Rolle. Vor der Schlußszene der<br />

Mädchen aus Viterbo hält Eich, als die Türklingel die Ankunft der Staatspolizei anzeigt, die<br />

Zeit noch für eine eingeschobene Szene auf.<br />

3. Der Übergang von einer Wirklichkeit zur andern, die Realitätsblende. Zwei<br />

Musterbeispiele dafür (aus Eichs Tiger Jussuf und Hirches Heimkehr) wurden schon<br />

angeführt – als Hinweis auf die Rolle, die bei derartigen Übergängen gelegentlich der<br />

Geräuschakzent spielt. Doch bedarf eine solche Realitätsblende durchaus nicht generell<br />

einer Geräusch- oder Musikstütze. Die Mädchen aus Viterbo enthalten ein fortwährendes<br />

Hin- und Herblenden ohne Hilfsmittel zwischen zwei Realitäten: einer Realität ersten<br />

Grades, die der <strong>Autor</strong> gedichtet hat, und einer zweiten Grades, die die vom <strong>Autor</strong><br />

gedichteten Figuren dichten.<br />

4. Die Stilblende. Darunter soll ganz allgemein der Übergang von einer Darstellungsart zur<br />

andern, von einem Stilmittel zum andern verstanden werden, z. B. Sprünge zwischen<br />

episch, dramatisch und lyrisch – hier also das Problem des Erzählers im Hörspiel –, aber<br />

auch zwischen objektiver Erzählung und Ich-Erzählung, zwischen Erzählung und<br />

Dokumentarbericht und viele andere Möglichkeiten.<br />

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