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Autor: Tilmann P - Landesmedienzentrum Baden-Württemberg

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Wenn man die Gesetze der klassischen Dramaturgie äußerlich nimmt, bloß die<br />

sozusagen leiblich Anwesenden als anwesend zählt, muß man feststellen: die Handlung<br />

spielt bei Einheit des Orts nur in dem anfangs durchaus nicht besonders exponierten<br />

Vermittlungsunterstand. Aber es sind aus der »Untersicht« von dreißig Stufen unter der<br />

Erde viele Vorgänge an zahlreichen anderen »Schauplätzen« unmittelbar mitzuerleben.<br />

Allerdings auch diese »Schauplätze« – so empfindet man – liegen eigentlich nur (wie das<br />

im Hörspiel von nun ab immer mehr zum Kunstgesetz wird) an einem einzigen,<br />

einheitlichen, inneren Ort. Diesmal ist es die allumfassende hilflose Angst, das<br />

allumfassende hoffnungslose Ausgeliefertsein, das wie ein gemeinsames Bewußtsein die<br />

zitternden Individualitäten der Einzelnen in sich schließt. Alles, was vorgeht, das stumme<br />

Sterben an der Front und im Lazarett, trifft zwar jeweils nur einen, aber es meint doch<br />

immerfort jeden und lähmt Gehorchende wie Befehlende. Längst weiß man im Voraus,<br />

was geschehen wird, kein Unheil kommt mehr unerwartet, aber gerade deshalb sind alle<br />

Schrecken nur beklemmender, wenn sie sich endlich verwirklichen: so am Ende die<br />

Vernichtung der Batterie, das Herauftauchen der »Tanks« aus dem Nebel, das Aufrollen<br />

der ganzen Grabenstellung – wodurch, was bisher nur draußen und weit entfernt als eine<br />

Art Angsttraum existierte, schließlich auf die Träumenden zukommt und in die Tiefe ihres<br />

bisher so sicheren irdenen Gehäuses eindringt. Und hier, wo das Draußen, das man<br />

immer nur im Spiegel sah, Realität wird, bricht das Stück ab.<br />

Zwar hat Johannsen noch durchaus äußerlich verstanden und bloß technisch und<br />

geradezu geophysisch interpretiert, was der Begriff »innere Handlung« meint; er hat sich<br />

zweifellos alles ganz kompakt-real gedacht. Aber an vielen Stellen ist er dennoch,<br />

wahrscheinlich unversehens, aus der äußeren Wirklichkeit in eine innere vorgestoßen und<br />

hat auf knappstem Raum ein im Grunde nicht dramatisches, sondern lyrisch-statisches<br />

Panorama des Menschenschicksals entworfen, auch darin die Bedingungen des<br />

Hörspiels genau erfüllend. Schade, daß von seinen anderen Arbeiten aus dieser Zeit<br />

nichts mehr bekannt ist. Freilich hat sich schon damals kein anderes seiner Hörspiele<br />

(und er hat viele geschrieben) annähernd so durchgesetzt wie Brigadevermittlung. Auch<br />

was er heute schreibt – nach langer Emigrationszeit wieder in seiner Heimatstadt<br />

Hamburg –, ist weit entfernt, sich mit diesem Stück vergleichen zu können. Dies aber<br />

sichert ihm den Platz, sowohl in der Geschichte des Hörspiels als auch in der Geschichte<br />

der literarischen Bewältigung des ersten Weltkrieges.<br />

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