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Autor: Tilmann P - Landesmedienzentrum Baden-Württemberg

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spielend beherrschen. Man bedient sich der Technik dabei nur, weil sie auf ihre Weise ein<br />

Wirklichkeitskontinuum zerstört hat, das künstlerisch nicht mehr brauchbar ist.<br />

Wolf scheint von dieser geheimen Absicht noch am wenigsten zu ahnen, sein<br />

Eisbrecherhörspiel besteht noch vordergründig aus äußeren Handlungsvorgängen. Stil<br />

und Besonderheit seiner Begabung sind auch nicht dazu angetan, gerade die Phantastik<br />

des Geschehens, die in jener Nordmeer-Umwelt aus Eis und Eisen eigentlich beinahe von<br />

selbst spürbar werden müßte, zur Wirkung zu bringen. Übrigens gehört das Stück zu dem<br />

halben Dutzend von Hörspielen, das aus der Zeit um 1930 als Schallaufnahme erhalten<br />

ist. Doch ist Alfred Braun, der Regisseur der Berliner Uraufführung, an dem<br />

Riesenaufwand von Lärm, der aus den alten Platten tönt, nicht allein schuld, auch andere<br />

wären ohne ein solches Geräuschaufgebot nicht ausgekommen.<br />

Dabei ist die Tragödie des italienischen Luftschiffs, dessen Ballonleib über dem Polgebiet<br />

auseinanderriß, bei Beginn des Stückes bereits geschehen. Man erlebt, wie sich an der<br />

Rettungsaktion viele Länder beteiligen, an der Spitze der allgemeinen Solidarität, durch<br />

die (so schreibt Pongs) »das Pathos des kommunistischen Manifest hindurchtönt«, die<br />

Sowjetunion und ihr Eisbrecher Krassin. Mit der allgegenwärtigen Funktechnik läßt uns<br />

Wolf an der Aufregung bei allen nördlichen Nationen teilnehmen, aber über die technisch<br />

bedingte Allgegenwart hinaus weiß er leider nur wenig von der Allgegenwart der<br />

Phantasie, die den Raum auch ohne Apparate und Morsezeichen zu überbrücken<br />

imstande ist. Neben der bloß äußerlich-pathetischen Aufregung, die in wiederholtem<br />

Absingen der Internationale durch die erfolgssicheren Krassin-Leute und der italienischen<br />

Hymne durch die haltsuchenden Verunglückten gipfelt, läßt darum das Stück auch kaum<br />

etwas ahnen von jener inneren Erregung, die wortkarg bleibt und auf deftigen Jargon und<br />

lautes Geschrei verzichtet. Leider ging es dem <strong>Autor</strong> um »kollektives Ethos« (Pongs), und<br />

es ging ihm auch, wie Brecht im Lindberghflug, um die Technik als Mittel zu kollektivem<br />

Machtrausch. Ein armer, ungebildeter russischer Bauer an der Murmanküste, der – dem<br />

Fortschritt sei Dank! – einen Radioapparat gebastelt hatte, gibt die sonst ungehörten<br />

Hilferufe weiter, bewirkt, daß in einer Massenszene die Sowjets sofort Hilfsmaßnahmen<br />

beraten.<br />

Pongs hebt diese wohl sogar historischen Einzelheiten noch 1929 als besonders<br />

»symbolmächtig« hervor. Zwei Jahre später schreibt Richard Kolb in seinem Horoskop<br />

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