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Autor: Tilmann P - Landesmedienzentrum Baden-Württemberg

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Deutsch-Italiener Felix Gasbarra hinzunehmen, der in den zwanziger Jahren Erwin<br />

Piscators Dramaturg in Berlin war, schon damals Hörspiel-Features schrieb und seit 1950<br />

wie ein Aufklärer des 18. Jahrhunderts, wie ein wiedergeborener Voltaire, noch einmal<br />

herausfordernd rationalistisch Ironie und nackte Vernunft ins Treffen zu führen sucht. In<br />

John Every demonstriert er an einem amerikanischen Modell, wieviel der Mensch, in Geld<br />

ausgedrückt, wert ist, in Monsieur Job an einem besitzfreudigen französischen<br />

Kleinbürger, was alles einem Menschen nicht gehört, und im Pimpanell an einer<br />

wienerischen Abart des Schwejk, was es mit der Freiheit des Menschen auf sich hat. Der<br />

Witz eines ergrauten Aufklärers pflegt etwas gallig zu sein. Die rationalistische Satire, die<br />

sich selbst und uns Überlegenheit vorspielt, wirkt auf uns fremder und ferner als der<br />

theologische Ernst, der die Menschen gegenüber ihrem Schicksal oder gegenüber Gott<br />

solidarisch sieht. Das 18. Jahrhundert ist uns heute weiter entrückt, als – sagen wir – das<br />

17. Jahrhundert mit seinen Glaubensauseinandersetzungen.<br />

An dieser Stelle sind noch weitere <strong>Autor</strong>en auf dem Felde des realistischen<br />

Problemhörspiels zu nennen, sie lassen sich in die Koordinaten, die mit den genannten<br />

Namen gegeben sind, ohne große Mühe einordnen: Max Gundermann, der 1906 in<br />

Braunschweig geboren und nach dem Krieg von der Theaterdramaturgie zum<br />

Hörspielschreiben übergewechselt ist, ist einer der virtuosesten Arrangeure des<br />

Rundfunks. Seine Hörspielfassung von Gogols Mantel war, bis sie vom Terminkalender<br />

abgelöst wurde – dem bisher leider einzigen erwähnenswerten Gundermann-Hörspiel<br />

nach einem eigenen Stoff –, eine Weile das erfolgreichste deutsche Rundfunkwerk im Inund<br />

Ausland. Der Terminkalender ist zwar nicht so witzig wie Gasbarras anthropologische<br />

Trilogie, aber von mindestens gleicher Modellpräzision.<br />

Ein Betrieb wird gezeigt, in dem jedem Vorgesetzten gerade jene fünf Minuten fehlen, die<br />

er aufwenden müßte, um einem Untergebenen aus der Not zu helfen. Darin sind alle<br />

gleich. Am Ende aber braucht der mit dem Wagen steckengebliebene Generaldirektor<br />

dringend auch den Hilfsarbeiter, der mit dem Fahrrad auf einsamer Landstraße an ihm<br />

vorbeifährt. Beide kennen und erkennen sich nicht, aber der Hilfsarbeiter hat am<br />

Stückschluß das letzte Wort: »Keine Zeit!«<br />

Das einzige bekanntere Hörspiel Herbert Eisenreichs Wovon wir leben und woran wir<br />

sterben, das einen verwandten Stoff behandelt und bei »Radio Bremen« herauskam,<br />

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