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Autor: Tilmann P - Landesmedienzentrum Baden-Württemberg

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bitterster Geschichtsabschnitte niemals bitter wird, sondern alles zu märchenhafter<br />

Heiterkeit sublimiert.<br />

DAS LITERARISCHE HÖRSPIEL<br />

Bis hierhin hat der Überblick über die Fülle der Hörspieltexte, die heute zur Verfügung<br />

stehen, etwas bemerkenswert Einheitliches. Es geht um die einsame, oft auch<br />

monologische Auseinandersetzung des Menschen mit dem unsichtbaren Gespenst der<br />

Wirklichkeit: Weyrauch spricht vom Dialog mit dem Unsichtbaren. Dazu kommt die<br />

Betonung nicht einseitig der Form, sondern (aus publizistischer Verpflichtung: nach<br />

Goethe) auch des Gehalts und beim Unterhaltungshörspiel noch jener Zug zum<br />

Märchenhaften. Über alles könnte man als Motto die Forderung von Karl Kraus schreiben:<br />

»... den Geräuschen des Tages zu lauschen, als seien es Akkorde der Ewigkeit.«<br />

Es soll gleich gesagt werden, daß dies dem Hörspiel überhaupt – im Gegensatz zur<br />

einseitig betonten Zweck- und Aussagelosigkeit der modernen Literatur – weithin<br />

eigentümlich zu sein scheint. Wahrscheinlich hat das Hörspiel darin der gegenwärtigen<br />

Literatur einiges voraus, und die Literatur wird es eines Tages erst mühsam<br />

wiederzugewinnen suchen: den Willen, nicht nur zu verstehen, sondern sich zu<br />

verständigen.<br />

Dennoch ist auch im Hörspiel, genauso wie in vielen experimentellen literarischen<br />

Richtungen seit dem Expressionismus und Dadaismus, immer wieder der Versuch<br />

gemacht worden, unbesorgt um Kontakte nach außen den bloßen Selbstausdruck zum<br />

Prinzip zu erheben, die Selbstverwirklichung mit und in reiner Form, bei der es erst in<br />

letzter Linie um Mitteilung, in allerletzter um Verständigung geht. Freilich liegt es in der<br />

Natur der gesprochenen Sprache – die sinnlos wird ohne den Anspruch, gleichzeitig auch<br />

immer gehörte Sprache zu sein –, daß ein solcher Versuch im Hörspiel höchstens zu<br />

einer Reduzierung von Gehalt und Aussage führen kann, kaum je zu Formen, die wir als<br />

völlig abstrakt empfinden.<br />

Sieht man von den Attacken ab, die gegen die Sprache selbst gerichtet werden – die<br />

heutige sprachzerstampfende, buchstabenstammelnde »Avantgarde«, die ihre<br />

Zertrümmerungsrückstände anspruchsvoll »konkret« nennt, wiederholt leider nur, rund ein<br />

halbes Jahrhundert später, aber mit absolut humorlosem Doktrinarismus, was ihre<br />

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