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Autor: Tilmann P - Landesmedienzentrum Baden-Württemberg

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zwei Jahre lang die besten deutschen <strong>Autor</strong>en zu: Heinrich Böll, Hans Georg Brenner,<br />

Wolfgang Hildesheimer, Heinz Huber, Joachim Kaiser, Wolfgang Koeppen, Siegfried<br />

Lenz, Horst Mönnich, Hans Werner Richter, Wolfgang Weyrauch und viele andere<br />

versuchten sich damals mit verschiedenem Glück in diesem Metier und brachten<br />

Anregungen. Schnabel trug seine großen Flug- und Reisefeatures bei, Zahn zahlreiche,<br />

vor allem sozialkritisch interessante Manuskripte aus seiner neuen amerikanischen<br />

Heimat, die er bis hin nach Südamerika und Alaska erkundete. Andersch aber war mit<br />

rund einem halben Dutzend Arbeiten der große Virtuose, dessen Features neben<br />

Schnabels frühen Arbeiten zu den elegantesten und gleichzeitig herausforderndsten der<br />

Gattung gehören. Unter denen, die Anderschs Entwicklung beobachten, gibt es nicht<br />

wenige, die ihn auf diesem Gebiet für wesentlich markanter halten als auf dem des<br />

Hörspiels, sogar dem des Romans. Menschen im Niemandsland, eine seiner ersten<br />

damaligen Arbeiten, war fast so etwas wie eine neue Anthropologie: Experiment und<br />

Frage, ob zwischen den politischen und technischen Mächten der Mensch noch Platz<br />

habe. Das Feature über das Indochina-Problem Die Bürde des weißen Mannes brachte<br />

mit einer Fülle von unbekannten Informationen, die sich der <strong>Autor</strong> bei den Pariser<br />

Regierungsstellen aufs geschickteste selbst besorgte, so präzise Zeitdiagramme, daß<br />

man beim Hören, ähnlich wie fünf Jahre zuvor bei Eggebrechts Was wäre, wenn...,<br />

meinte, es müsse eigentlich von dieser Arbeit ein direkter Einfluß auf die Politik<br />

ausgehen.<br />

Politische Leidenschaft und politische und sozialkritische Angriffslust ist bei den <strong>Autor</strong>en<br />

die Voraussetzung der Featurekunst – für ihre Wirkung beim Publikum, daß die Zeit noch<br />

nicht erstarrt ist, sondern unzufrieden und aufnahmebereit für neue Ideen und Vorschläge.<br />

So gesehen unterscheidet sich die Form von der poetischen des Hörspiels dadurch, daß<br />

in ihr nicht versucht wird, Thema und Handlung aus der besonderen, einmaligen<br />

Tagesbeziehung zu lösen, sie ins Allgemeine oder Gleichnishafte zu heben, sondern daß<br />

man die Probleme gerade in der zufälligen Lokalisierung und Individualisierung läßt, durch<br />

die sie uns heute bedrängen. Insofern ist das Feature eine eminent moderne<br />

Darstellungsart. Es subsumiert nicht, vereinfacht nicht, verallgemeinert nicht und erhebt<br />

nicht den Anspruch, mehr zu geben als den gerade beobachteten Fall im gerade gelebten<br />

Augenblick. So gewinnt es jene experimentelle Präzision, durch die es überall<br />

unentbehrlich wird, wo es Menschen danach verlangt, ihre Zeit- und Lebensumstände,<br />

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