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Autor: Tilmann P - Landesmedienzentrum Baden-Württemberg

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Durchgang durch ein Mikrophon und durch einen Sendekanal nur noch als Raumfarbe da,<br />

sie erlaubt unsern Ohren nicht mehr dreidimensionale Orientierung nach rechts und links,<br />

oben und unten, sondern nur noch Orientierung nach einer Dimension, die als »Abstand«,<br />

als »Entfernung« oder »Nähe« empfunden wird und in der wir nichts anderes als die<br />

Distanz der Schallquelle vom Aufnahmemikrophon registrieren.<br />

Neben dem Senderaum und neben dem Wohnzimmer, in dem der Lautsprecher steht und<br />

von dem der Hörer, ohne über diesen Vorgang lange nachzudenken, erfahrungsgemäß<br />

abstrahiert, spielt beim Hörspielhören noch ein dritter Raum eine Rolle, nämlich der<br />

dimensionslose, körperlose Raum unserer Phantasie, in dem wir imaginieren, fühlen und<br />

denken und der uns erlaubt, solchen Hörspielen, die Knilli »herkömmlich« nennt, zu<br />

folgen.<br />

Knilli will nun von diesem dritten Raum überhaupt nichts wissen. In unserer Phantasie soll<br />

nichts vorgehen, da es im Hörspiel nur totalen Schall, nur »von Sinn losgelöste<br />

Schönheit«, geben darf. Bloß unsere Ohren sollen beschäftigt werden – so wie etwa bei<br />

Musik, wenn sie an kein Programm gebunden ist. Außerdem möchte aber Knilli unbedingt<br />

auch noch Raum zwei, nämlich den akustischen Hörraum des Hörspiels, nicht<br />

anerkennen. Dieser Raum, der nicht nur dort erzeugt wird, wo die Darsteller die Worte<br />

verlautbaren, sondern der seine akustischen Charakteristiken oft sogar in mehreren<br />

Senderäumen und jedenfalls stets durch die elektrischen Maßnahmen beim Produzieren<br />

erhält, hat schließlich infolge der technischen Vorgänge und Durchgänge eine so<br />

abstrakte (sagen wir abgekürzt »eindimensionale«) Charakteristik, daß sie besonders gut<br />

geeignet ist, unsere Phantasie zu bewegen. So steht also der Raum zwei, der Hörraum,<br />

mit dem Raum drei, dem Phantasieraum, in einer innigen Korrespondenz; es ist ungefähr<br />

die gleiche wie im Optischen die zwischen dem Abbild der Dingwelt auf unserer Netzhaut<br />

und unserer inneren Perzeption. Was aber ist unter diesen Umständen konsequenter, als<br />

daß Knilli zusammen mit unserm Phantasieraum auch diesen Raum beseitigen oder<br />

wenigstens negieren möchte; er wird von ihm nicht gebraucht.<br />

Jetzt aber wird mit einemmal das wichtig, was beim Hörspielhören bisher noch nie ins Bild<br />

gekommen war, auch bei Ionescos, Knillis und Hildesheimers Stücken nicht: plötzlich<br />

bleibt als einziger Raum das Wohnzimmer übrig, in dem wir vor unserm Lautsprecher<br />

sitzen. Ihm hatte zuvor kein vernünftiger Mensch unterstellt, daß es der Ort sei, an dem<br />

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