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Autor: Tilmann P - Landesmedienzentrum Baden-Württemberg

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An einer anderen Stelle der gleichen Rede untersucht Döblin dann die überkommenen<br />

Formen auf ihre Verwendbarkeit im Rundfunk. Für die Essayistik, wenn sie lerne, nicht<br />

langweilig und nicht zu schwer zu sein, und für die Lyrik, wenn die Frage der Anordnung<br />

innerhalb des Programms gelöst sei, sehe er keine Schwierigkeiten; ihre Formen könne<br />

man ohne weiteres ans Mikrophon verpflanzen. Dagegen widerstreben, so meint er, die<br />

üblichen epischen und dramatischen Gattungen der Rundfunkwiedergabe. Die<br />

weiträumige Spannung des modernen Romans sei nur von den »Augen als Schnellreiter«<br />

stumm zu durchmessen, sie werde »durch das langsame Fuhrwerk der gesprochenen<br />

Sprache totgefahren«.<br />

Der Kurzgeschichte scheint Döblin zwar eine gewisse Chance einzuräumen, aber<br />

hauptsächlich spricht er von einer »kommenden Epik«, die den Anforderungen des<br />

Sprechvortrags auf Kürze und plastische Einfachheit genüge. Was das Drama betrifft, so<br />

brauche es das Theater als »Kollektiverlebnis«; es sei sinnlos, Schauspiele aus dem<br />

Theater zu übertragen, sinnlos, sie am Mikrophon zu inszenieren. Hier formuliert Döblin<br />

schließlich sehr hellsichtig – zweifellos als einer der ersten – die heute schon fast zum<br />

Allgemeinplatz gewordene Erkenntnis: im wirklichen Hörspiel werde in Zukunft der<br />

Unterschied zwischen Essay, Lyrik, Epik und Dramatik aufhören, das Hörspiel werde erst<br />

durch Benutzung aller Elemente möglich.<br />

Darin also hat Döblin recht behalten. Aber warum ist in den vier Rundfunkjahrzehnten so<br />

gut wie nichts von jener »kommenden Epik« zu spüren gewesen, die er prophezeit? Es<br />

scheint doch so, als habe nur oder fast nur die dialogische Form, also das Hörspiel, von<br />

der Heimkehr zur lebendigen Sprache Gewinn gehabt. Dabei waren Dialoge, auch die fürs<br />

Theater geschriebenen, doch wohl immer schon fürs Sprechen bestimmt. Und dabei wäre<br />

angesichts der psychologisch-syntaktischen Kompliziertheit moderner epischer Prosa<br />

gerade hier die Notwendigkeit des Übergangs von dem Schreibe- zu einem Vorlese- und<br />

Erzählstil im Rundfunk – einmündend vielleicht in Bemühungen um eine Erneuerung der<br />

Stegreiferzählung – äußerst dringlich.<br />

Es ist von Anfang an bis heute in dieser Richtung mancherlei versucht worden, und<br />

durchaus einiges mit Glück. Aber es fehlte den Versuchen eine zusammenhängende<br />

Entwicklung, jeder fing von vorn an; und es fehlt im übrigen auch – wahrscheinlich für<br />

immer – eine zusammenhängende Darstellung, die ein Urteil ermöglicht. Aus dem letzten<br />

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