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Autor: Tilmann P - Landesmedienzentrum Baden-Württemberg

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Vielleicht hat Bronnen diese Konstruktion nicht für direkt und deutlich genug gehalten;<br />

dann hat er damit sehr viel weniger dramaturgischen Instinkt bewiesen als<br />

Hoerschelmann. Vielleicht hat er aber auch gemeint, die Liebesvorgänge zwischen Wegel<br />

und dem Mädchen nach ihrer Rückkehr bedürften einer längeren Vorbereitung durch ein<br />

weiteres Gespräch. Daran wäre sogar etwas Richtiges, doch wiegen die Nachteile der<br />

Bronnenschen Lösung die Vorteile derjenigen Hoerschelmanns bei weitem nicht auf.<br />

Wenn die erste Begegnung zwischen Wegel und der Frau aus der bloßen Erwähnung<br />

»erlöst« und als eigene Szene vorangestellt wird, wird alles nur wortreicher. Was soll<br />

denn in dem ersten, von Bronnen hinzugeschriebenen Gespräch zwischen den beiden<br />

geschehen, da noch nichts geschehen darf? Der neue Vortext kann nur langweilig sein,<br />

ergibt nicht einmal eine Exposition. Das alles entscheidende Verhältnis zwischen Rauk<br />

und Wegel dürfte eigentlich ohne Rauk nicht einmal erwähnt werden, sonst verliert es<br />

nachher seine unmittelbare Wirkung. Überdies aber nimmt die Darstellung der ersten<br />

Begegnung Wegels mit der Frau auch der späten, entscheidenden Szene zwischen den<br />

beiden den Reiz der Erstmaligkeit für den Hörer.<br />

Zweitens: der schlimmere, geradezu unfaßbare Eingriff Bronnens besteht in der<br />

Verkehrung des Stückschlusses in ein Happyend. Damit wird aus der Flucht vor der<br />

Freiheit der Weg in die Freiheit und aus der Pointe des Stücks eine Platitüde.<br />

Hoerschelmanns Handlungsablauf wird dabei fast bis zum Stückschluß, bis zur<br />

Ermordung Rauks, übernommen. Doch nun erweitert Bronnen, so wie er das Hörspiel<br />

nach vorn um etwa zehn Minuten verlängerte, den Text auch am Ende um etwa fünf<br />

Minuten: Rauk wird nur beinahe getötet, Wegel kann durch das Eingreifen der Frau, durch<br />

ihren Anruf, nun in die Freiheit – nicht etwa »fliehen«, sondern er erhält nur die<br />

Möglichkeit auszuweichen.<br />

Alles, was hier über Bronnens Berliner Aufführung gesagt wird, ist nachprüfbar: die<br />

Tonaufzeichnung ist erhalten. Abgesehen davon, daß die beiden Sprachidiome Bronnens<br />

und Hoerschelmanns wie zwei verschiedene Handschriften nebeneinander spürbar<br />

werden, langweilt und befremdet die Inszenierung durch einen absolut direktionslosen<br />

Beginn, den man nicht zehn Minuten lang erträgt, und durch einen Schluß, der infolge<br />

seiner Harmlosigkeit sinnlos ist.<br />

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