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Autor: Tilmann P - Landesmedienzentrum Baden-Württemberg

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Minimum beschränkten Geste. Fragt man nach ihrem eigentlichen Schöpfer, so ist es nicht der<br />

Geist einer Religion oder Rasse, sondern der Geist der Wirtschaft.‹ ∗<br />

Er hat recht. Die Menschen schämen sich oft, Auge in Auge anders als sachlich zu<br />

verkehren. Wirkt das Auge beim Sprechen mit? Ich redete neulich mit einem Auge in<br />

Auge. Als er sich sammelte, um seine ganze Kraft ins Wort zu legen, wandte er sich ab,<br />

gewissermaßen nach innen. Er unterstützte das, was er sagte, nicht durch das Auge, ließ<br />

mich frei. In dieser Freiheit traf mich der Geist des Wortes durchs Ohr mit der ganzen<br />

Bedeutung seiner Hintergründe. Manche Geständnisse im Dunkel der Nacht beim<br />

Wandern im Abendschatten wären in den forschenden Blick hinein nicht gemacht. Sie<br />

sind rückhaltloser, wahrhaftiger. Die Lichtwelt des Tages zwingt uns, unsere Rolle zu<br />

spielen vor den Augen der andern.<br />

Tief ist der Unterschied zwischen den Redewendungen: ›Ich spreche mich aus‹ und: ›Ich<br />

spreche mit ihm‹. Wenn ich mich ausspreche, folge ich einem Trieb und berechne nicht<br />

die Wirkung. Wenn ich zu jemandem spreche, beabsichtige ich etwas. Der Mensch, der<br />

sich ausspricht, wird dem Auge keine Aufgabe stellen. Der Mensch, der zu jemandem<br />

spricht, prüft den Eindruck, den das Gesagte macht, mit dem Blick.<br />

Welche Menschen können sich aussprechen? Solche, deren Gedanken ein Gesicht<br />

bekommen, daß sie in Worten zu denken verstehen. Ich habe Rundfunksprecher gehört,<br />

die eine rauhe Stimme hatten, Sprechfehler machten und Dialekt sprachen, aber es war<br />

eine Schwingung im Unterton, die Innerliches gab, – und ich habe Sprecher in großer<br />

Schönheit gehört, aber es kam nichts mit, was den Ton in mir anschlug. Da liegt das<br />

Neue, das der Rundfunk weckt, daß er jede Konvention, jede Absicht, jede künstliche<br />

Steigerung ablehnt. Wer sich nicht zeigen kann, wie er ist, der soll nicht in das Mikrophon<br />

sprechen.« –<br />

∗ Dies Zitat im Zitat wurde absichtlich stehen gelassen, weil sich zwischen Spenglers Ansicht von der<br />

wirtschaftlichen Bedingtheit der modernen Verständigungssprache und einem wichtigen Aufsatz von<br />

Adam Müller Von der Kunst des Hörens von 1812 eine interessante Parallele ergibt. Müller, dessen<br />

Meinung inzwischen auch für die Theorie des Rundfunksprechens und -hörens lehrreich geworden ist,<br />

benutzt zur Unterscheidung des Verkehrs mit gesprochenem und mit geschriebenem Wort gleichfalls<br />

einen merkantilen Vergleich. Lebendige Sprache ist ihm wie der ursprüngliche Tauschhandel, wo<br />

Konkretes gegen Konkretes hergegeben wird, während der schriftlichen Kommunikation die<br />

Geldwirtschaft entspricht: Festlegung auf den abstrakten Index. Nachzulesen in Oskar Loerkes und Peter<br />

Suhrkamps Deutscher Geist (1. Band 1940).<br />

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