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Autor: Tilmann P - Landesmedienzentrum Baden-Württemberg

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verschaffen, wo der Widerspruch einigermaßen aufgehoben wird. Allerdings lagern oder<br />

stehen vor den hellen, hohen Abgründen des Himmels vorerst selbst die Engel noch auf<br />

festen Postamenten, und die Schwere ihrer Glieder hat durch die Perspektivverkürzungen<br />

eher zu- als abgenommen. Die Putten, die sich an die Balustrade des »Auges« in der<br />

Decke von Mantegnas »Brautkammer« in Mantua klammern, die Köpfe, die sich über sie<br />

zu uns herabneigen, sind noch im gleichen Raum, nur ein Stockwerk höher als wir, und<br />

sind keineswegs aus unsrer Welt gelöst: der Himmel über ihnen ist der unsre und für sie<br />

genauso weit wie für uns, von Blau und Wolken verschlossen, und es gibt keine<br />

schwebenden Übergänge zu den Göttern. Auch die Himmelsboten, die bei Melozzo an<br />

den Rändern der Durchbrüche musizierend niederhocken, sind noch wie Schmetterlinge,<br />

die ihrer Schwere nachgeben und sich auf festem Grund einen Augenblick ausruhen;<br />

solange können wir sie besichtigen. Was aber die Figuren betrifft, die vor den luftigwolkigen<br />

Tiefen Michelangelos schweben, so gibt es nur eine Erklärung dafür, daß sie<br />

nicht herabstürzen: sie müssen rückwärts mit eisernen Klammern an ihren Hintergrund<br />

festgeschmiedet sein wie Prometheus an seine Felsenwand. Der Meister hat die<br />

Deckenfläche ja überdies in »Felder« eingeteilt, so daß sie Bestandteil des kubischen<br />

Raums wird, in dem wir uns befinden; nun halten die Bildfelder (nicht anders als Bildtafeln<br />

an der Wand, nur hochgeklappt) innerhalb ihres Rahmens ein Stück körperlicher<br />

Wirklichkeit unserer Art gefangen – vollkommenere Wirklichkeit freilich, Menschen, die<br />

zugleich Athleten und Weise sind.<br />

Erst in der Domkuppel Correggios in Parma scheint zum erstenmal der Widerspruch<br />

aufgehoben zu sein, gibt es zum erstenmal die gleichmäßig-stufenweisen Übergänge von<br />

unsrer Erde über die schwebenden Figuren bis hinauf zum höchsten Himmelszenith, aus<br />

dem sich Christus seiner aufwärtsfahrenden Mutter entgegenstürzt. In der untersten<br />

Region aber streckt sich von den Engelsjünglingen, die den leeren, lichten Raum füllen,<br />

das Durcheinander ihrer Beine – Spötter nennen es »Froschragout« – fast bis zu unsern<br />

aufgereckten Händen herab.<br />

Seit Correggio, der die Kuppel 1530 gemalt hat, hat es noch gut anderthalb Jahrhunderte<br />

gedauert, bis, was anfangs ein gewaltiges Ringen zwischen Schwerkraft und Licht war,<br />

zur leichtbeherrschten technischen Manier der Meister wurde. Der humanistische<br />

Realismus der Renaissance mußte erst durch die üppig-irdischen Leibesfreuden barocker<br />

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