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Autor: Tilmann P - Landesmedienzentrum Baden-Württemberg

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Pendeln der Tennisbälle darstellen wollen. Walser aber sagt: »Ein Zelluloidball, künstlich,<br />

ohne Empfindungen... mit seiner grausamen Reinheit, mit seiner unmenschlichen<br />

Leichtigkeit...« Dies drückt wohl noch genauer aus, was gemeint ist, vor allem, wenn<br />

Walser dagegen den Schrei der jungen Frau setzt: »Ich will nicht spurlos leben, ich will<br />

haften, ich will mich schinden, sorgen, plagen, ich will, daß mich das Leben fertig macht<br />

bis auf die Knochen!« Es geht um eine Frage auf des Messers Schneide, die Walser so<br />

formuliert: »Es ist kein Spiel, darum ist es eine Schande.«<br />

In der politischen Sprache des Ostens wurde der abwertende Begriff Formalismus für den<br />

Tatbestand geprägt, der damit angedeutet ist. Aber dieser Begriff drückt natürlich eine<br />

gräßliche Verarmung aus. Der Glaube an die errettende Macht reiner Formen bezeichnet<br />

eine der größten menschlichen Möglichkeiten überhaupt – die Möglichkeit, ohne die keine<br />

Kunstausübung denkbar ist. Daß freilich, wie von jeder menschlichen Fähigkeit aus, auch<br />

hier eine tragische Übersteigerung geschehen kann und geschieht – in diesem Fall ein<br />

Absturz in Künstlichkeit –, ist nur ein Gemeinplatz, kein Argument gegen den<br />

»Formalimus«.<br />

Alfred Andersch scheint als Hörspielautor dem Absturz ins Konstruktive manchmal schon<br />

zum Opfer zu fallen. Am gelungensten ist noch Fahrerflucht, ein Stück, das nicht<br />

szenisch, sondern mit drei parallelen Erzählungen – eine Architektonik, wie sie Andersch<br />

liebt – einen Autounfall aus drei verschiedenen zeit- und menschentypischen<br />

Perspektiven zeigen will. Zwei der Stimmen dieses Triosatzes überzeugen, die dritte hat<br />

nur noch Symmetriegründe für sich, bringt keinen neuen Klang.<br />

Mit ungleich viel größerer Sicherheit bewegt sich an dieser Grenze zwischen Formwillen<br />

und eisiger Entwirklichung Ingeborg Bachmann in den beiden Hörspielen, die sie bisher<br />

geschrieben hat. Im Guten Gott von Manhattan ist das Problem tragisch überhöht. Da<br />

scheut die <strong>Autor</strong>in nicht vor Metaphern zurück, die fast Schematismen sind: etwa wenn<br />

die beiden jungen Menschen in Vollzug ihrer immer weltferneren Form der<br />

Liebesleidenschaft zugleich in immer höhere Stockwerke des Hotels aufsteigen, man<br />

kann an der Höhe sozusagen als Skala abmessen, wie weit ihre Liebe sie schon weltlos<br />

gemacht hat. Freilich glückt es Ingeborg Bachmann dann, dasselbe in der Steigerung<br />

ihrer ungewöhnlichen Liebesdialoge auch sprachlich auszudrücken, so daß das Schema<br />

keineswegs unausgefüllt bleibt. Leider wirkt nicht ganz so überzeugend das Gegenspiel:<br />

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