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Autor: Tilmann P - Landesmedienzentrum Baden-Württemberg

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lauwarme Ofenrohr klammerten und geduldig auf ihre Brotration warteten – was in dieses<br />

Dunkel als erstes Lichtzeichen fiel, das war wirklich Rundfunk. Man kann sich die<br />

Szenerie gar nicht deutlich genug machen, um die einzigartige Funktion der<br />

Rundfunksender nach 1945 und die Nachkriegsgeschichte des Hörspiels zu verstehen.<br />

Denn es gab weder Theater noch Kinos, nicht einmal Säle, um sich für Theater-, Filmoder<br />

Musikaufführungen zu versammeln. Es gab weder Filme noch Kostüme noch<br />

Instrumente. Es gab weder Verleger noch Zeitungen, nicht einmal Papier war vorhanden.<br />

Und die Vielzuwenigen, die das Vielzuwenige herstellen oder herbeischaffen oder<br />

verteilen durften, um das sich alle drängten, waren »Lizenzierte«, oft nicht die<br />

Geschicktesten, manchmal auch nicht die Besten. Dennoch aber drängten sich alle: mit<br />

dem Hunger in den Eingeweiden war der Hunger nach geistiger Nahrung, nach geistigem<br />

Besitz keineswegs vergangen, sondern so groß geworden wie nie.<br />

Man kann es den Menschen, die als die Sieger kamen und als die Satten – und zuerst<br />

auch mit dem gefährlichen Stolz, daß jeder einzelne von ihnen besser sei und nicht<br />

fraternisieren dürfe –, man kann es ihnen gar nicht hoch genug anrechnen, wie sie sich<br />

sofort des Rundfunks annahmen, des einzigen probaten Mittels, mit dem man auf der<br />

Stelle helfen konnte.<br />

Vor allem die Engländer, die weder so viel Pharisäismus abzubauen hatten wie die<br />

Amerikaner noch so viel Chauvinismus wie die Franzosen, waren vorbildlich. Sie<br />

etablierten in ihrem Bereich – von Berlin und von Schleswig-Holstein über ganz<br />

Norddeutschland, beherrschend bis fast zum Main hin – ein Instrument, das<br />

seinesgleichen bei uns noch nicht hatte, gerade auch im Hinblick auf die Freiheit nicht, die<br />

es in ihm trotz allem gab. Man lese nur, ehe das Holzpapier zu Staub zerfällt, noch schnell<br />

einmal die paar übriggebliebenen Exemplare der Nordwestdeutschen Hefte, eine<br />

Veröffentlichung des damals noch unbekannten Axel-Springer-Verlages ∗ , im Niveau nicht<br />

seine schlechteste. Sie wurde von den ersten deutschen Programmbeherrschern des<br />

Nordwestdeutschen Rundfunks geschrieben, die von der Militärregierung berufen waren,<br />

und ihre politische und menschliche Haltung ist auch aus späterer Sicht noch untadelig.<br />

Der Mann, der dem Unternehmen einen solchen Stempel aufprägte, muß etwas sehr<br />

Nobles gehabt haben; er hieß Carlton Greene und war der Bruder des Dichters Graham<br />

∗ Hammerich und Lesser, Hamburg.<br />

201

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