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Autor: Tilmann P - Landesmedienzentrum Baden-Württemberg

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Reportagestil diente dem Versuch, selbst den Vereinzelten zu Hause noch in die<br />

Massenerregung mit hineinzunehmen. Man entsinne sich: Hitler und Goebbels gingen<br />

ganz selten und erst zuletzt und notgedrungen, als sie sich nämlich nicht mehr<br />

hinauswagen konnten, in den kleinen intimen Sprechraum, in das intime Gegenüber zum<br />

hellhörigen Mikrophon, wo die Massenwirkung aufhörte und eigentlich das leise<br />

eindringliche Zwiegespräch mit dem einzelnen Hörer hätte geführt werden müssen. In<br />

Atemhauchnähe und unmittelbar neben dem lauschenden Ohr fühlten sie sich<br />

unbehaglich.<br />

Die Sprache im Rundfunk, wenn man das Instrument redlich anwendet, hat nichts<br />

Kollektives und pathetisch Mitreißendes, läßt sich kaum aufschminken und zu falschen<br />

Tönen mißbrauchen. Immer kann sie den Einsamen, den Einzelnen nur auf sich selbst<br />

und auf die Auseinandersetzung mit sich selbst, auf den inneren Schauplatz verweisen.<br />

Innere Handlung, innerer Monolog, imaginärer Dialog, Dialog mit sich selber: das sind die<br />

Begriffe, von denen her man auch die Form des Hörspiels verstehen muß. Stets hat es –<br />

merkwürdig viel mehr als jede andere literarische Form – unmittelbar mit dem Gewissen<br />

des Menschen zu tun, der da lauscht.<br />

Als Beleg dafür, daß die Kenntnis von der »innerlichen« Natur der dem<br />

Rundfunkmikrophon angemessenen Sprache bereits in der frühesten Zeit allgemein<br />

verbreitet war, soll auch dieser Abschnitt mit einem Zitat schließen. Man könnte wiederum<br />

Karl Würzburger anführen, seine Gegenüberstellung Antenne-Mikrophon meint genau den<br />

Gegensatz des Proklamativen zum Intensiven. Doch gibt es noch unzählige weitere<br />

Äußerungen zu diesem Sachverhalt. Mehrfach hat sich im ersten Jahrgang von Rufer und<br />

Hörer z. B. die erste Königsberger Frauenfunkleiterin Frieda Magnus-Unzer, eine<br />

Verwandte des ersten Chefs der »Reichsrundfunkgesellschaft« Kurt Magnus, darüber<br />

ausgelassen. Daß sie dabei nicht speziell die Kunstform des Hörspiels meint, sondern das<br />

Sprechen am Mikrophon ganz allgemein, macht ihre Beobachtungen gerade für die<br />

natürlich noch extremere und entschiedenere Sprache des Hörspiels desto glaubwürdiger.<br />

Sie schreibt:<br />

»Spengler sagt: ›Es entsteht in der Oberschicht weltstädtischer Bevölkerungen eine<br />

gleichförmige, intelligente, den Dialekten und der Poesie abgeneigte Sprechweise, wie sie zur<br />

Symbolik jeder Zivilisation gehört, etwas ganz Mechanisches, präzis, kalt und mit einer auf das<br />

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