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Autor: Tilmann P - Landesmedienzentrum Baden-Württemberg

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und der lyrischen Grundhaltung in funkischer Umformung charakteristisch ausprägt, unter<br />

der verschiedenen Gestaltung eines funkisch-dynamischen Wirklichkeitsraumes, eines<br />

epischen Raums und eines reinen Phantasieraums«. Dann nennt er als Beispiele drei<br />

Stücke, von denen das erste, Friedrich Wolfs Krassin rettet Italia, eine Art dramatische<br />

Reportage ist, während das zweite, W. E. Schäfers Malmgreen, fast Feature-Charakter<br />

hat und daher epischen Duktus hervorkehrt, wogegen das dritte, Brechts Flug der<br />

Lindberghs, nur insofern lyrisch genannt werden kann, als es balladeske Züge aufweist.<br />

Allen dreien ist gemeinsam, daß sie, nach Würzburgers Terminologie, vorwiegend für die<br />

Antenne geschrieben sind und mehr oder weniger jene kollektivistisch-proklamatorische<br />

Haltung besitzen, deren Fragwürdigkeit damals noch nicht genügend entlarvt war. Viele<br />

andere Stücke, die uns heute wichtiger erscheinen, kommen in Pongs’ Kästchensystem<br />

nicht unter oder müssen mit gänzlich heterogenen Formen zusammengeworfen werden.<br />

So ist die Einteilung nicht überzeugend, ist ein Rückschritt gegenüber der Kasseler<br />

Tagung von 1929, auf der Döblin proklamiert hatte, daß im Hörspiel die konventionellen<br />

Gattungen des Epischen, Dramatischen und Lyrischen nicht rein darstellbar sind, daß sie<br />

sich mischen.<br />

Versuchen wir aus dem Abstand und ohne System (das es auf diesem Gebiet<br />

wahrscheinlich nicht geben kann) das Chaos der damals vorhandenen Spielarten zu<br />

erfassen, so lassen sich etwa folgende Typen unterscheiden:<br />

1. Experimentelle Geräuschhörspiele. Sie wollen möglichst viel akustisch auffällige<br />

Wirklichkeit einfangen oder nachahmen. Naiv glaubten ihre Väter, filmische und<br />

dramatische Formen auf den Rundfunk übertragen und dabei das Sichtbare durch<br />

Verdeutlichung der Geräusche ersetzen zu können. Möglichst viel ›Bildwechsel‹, d. h.<br />

möglichst viel Wechsel zwischen geräuschgrundierten Szenen, möglichst viel Handlung,<br />

möglichst direkte, expressive Wirkung war ihre Devise. Die große Zeit solcher Hörwerke<br />

ist 1929 vorbei, doch pflanzt sich ihr Prinzip durch die Hörspielgeschichte bis heute<br />

unheilvoll fort und erschwert, weil es unkünstlerisch ist, lange Zeit eine Formbildung.<br />

2. Das Pionier-Hörspiel. Der Übergang von den frühen Geräuschhörspielen zu dieser<br />

Kategorie geschieht fast unmerklich. Zuerst geht es nur um einen neuen, aber für lange<br />

Zeit beherrschenden Themenkreis: kühne Expeditionen von Polarforschern und<br />

Bergsteigern, exponierte Aktionen der Pioniere und Helfer der Menschheit, Taten<br />

Einzelner für Andere. Die verunglückte Nobile-Expedition des Jahres 1928 hat dabei<br />

mindestens ein Halbdutzendmal den Stoff abgegeben. Nationalismus, Kollektivismus<br />

und jede Art von Ideologie pfropften damals dem Lärm der geräuschfreudigen Frühzeit<br />

zusätzlich ihr Pathos auf. Doch zeigte sich bald, daß Lärm und Pathos bei den Hörern<br />

nur Ohrenschmerzen bewirken, während das leise Wort »eindringlich« ist. Dies kam<br />

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