28.02.2014 Aufrufe

Autor: Tilmann P - Landesmedienzentrum Baden-Württemberg

Autor: Tilmann P - Landesmedienzentrum Baden-Württemberg

Autor: Tilmann P - Landesmedienzentrum Baden-Württemberg

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

http://www.mediaculture-online.de<br />

Chinesen, Diener des Wettläufers Nuri (!), ist uninteressant und sehr wortreich. Aber<br />

obwohl er in sein Stück so viel Lärm und Aufregung wie nur möglich hineinstopft – Sport,<br />

Gewitter, eingreifendes Flugzeug, zusammenstürzende Tribüne –, ist Leonhard einer der<br />

hellsichtigsten Theoretiker jener Jahre. Er beobachtet akustische Valeurs wie kein<br />

anderer. Etwa bei einer Rundfunk-Deklamation von Goethes Mondlied hat er entdeckt,<br />

daß das malerisch Impressionistische der ersten Strophe »Füllest wieder Busch und<br />

Tal...« fast bedeutungslos wird, nur »Unterbau«, gegenüber »dem unsinnlich direkten<br />

Strömen seelischer Substanz im klanglichen Ereignis der Schlußstrophen«. Er schreibt in<br />

seinem Vorwort unter anderem: »daß für den von der Lyrik, vom Vers, vom Logos, von<br />

der Urzeugung des Wortes herkommenden Dichter die Arbeit am Hörspiel etwas vom<br />

Glück einer Heimkehr hat, einer traumhaften Sicherheit, einer fast schon vergessenen<br />

Reinheit«. Von den drei Formen, Theater, Film, Hörspiel, »ist die optische die, in die<br />

Vorgänge und Leidenschaften am schwersten zu übersetzen sind, die unvariabelste; die<br />

akustische hingegen ist die empfindlichste. Das Ohr ist am leichtesten abzulenken;<br />

deshalb und nur deshalb braucht der Film die Begleitmusik, zur Konzentration, nicht zur<br />

Illustrierung. «<br />

Leonhard formuliert: »Die akustische Form ist die empfindlichste ... Die innere Schau ist<br />

dem Akustischen gut verknüpft, aber sie muß kontinuierlich sein, sie darf sich von ihm nie<br />

lösen. Aus seinen Bedingungen heraus erfordert das Hörspiel die Einheit von Ort und<br />

Zeit. Einheit der Zeit: die Handlung muß ohne Pause fortlaufen, denn im Hörspiel ist die<br />

Pause keine bloße Unterbrechung, sondern, wie in der Musik selbst, schon ein<br />

Ausdrucksmittel, immer ›prägnant‹. Es muß also der ›günstigste Moment‹ für das Hörspiel<br />

gefunden werden. Wollte man etwa das Nibelungenschicksal in einem Hörspiel darstellen,<br />

müßte man einsetzen im Saal, in dem die Hinschlachtung der Gäste geschieht, mit einem<br />

Kampfgespräch zwischen Kriemhild und ihren Brüdern, in dem sie einander ihre Taten<br />

vorwerfen. Diese Einheit des Ablaufs, der Handlung, bedingt auch die des Ortes.<br />

Vielmehr, wenn wir einen etwas paradoxen Ausdruck brauchen wollen, erzwingt sie eine<br />

›Keinheit des Ortes‹, einen Ort, der groß und nicht differenziert ist. Das Hörspiel verlangt<br />

einen ›vagen Raum‹...«<br />

Erstaunlich ist die genaue Umdeutung von Ort und Zeit ins Akustische bei diesem frühen<br />

Theoretiker des Hörspiels, fast schon ehe es Hörspiele gab! Mit seinem<br />

44

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!