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Autor: Tilmann P - Landesmedienzentrum Baden-Württemberg

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Nun soll an dieser Stelle eine These gewagt werden, die in einer Zeit, in der die<br />

Stereophonie so viel gepriesen wird, waghalsig klingen mag. Das Statische ist das Wesen<br />

des Hörspiels; Hörspiel gibt es vermutlich überhaupt nur durch die Unvollkommenheit und<br />

Eindimensionalität seines akustischen Raums. Ist das eine totale Absage an die<br />

Stereophonie im Hörspiel?<br />

Wir können die Behauptung heute verhältnismäßig leicht nachprüfen, indem wir uns<br />

stereophonische Hörspielversuche anhören. Damit in ihnen die Vorzüge der Stereophonie<br />

recht zur Geltung kommen, reproduziert man dabei Szenen, in denen die Plastik<br />

besonders evident wird – etwa aus dem Salzburger Jedermann. Die Gegenspieler<br />

dialogisieren aus liturgischer Distanz und stehen sich nun plötzlich im Raum vor uns<br />

gegenüber – im gleichen Raum, in dem wir uns befinden, genau zu lokalisieren: da links<br />

der eine, der andere dort rechts, aber beide unsichtbar wie unter einer Tarnkappe. Und<br />

nun wird die Sache wirklich gespenstisch: wir sitzen davor wie vor einer<br />

Guckkastenbühne, die wir nicht sehen, suchen verzweifelt mit den Augen, da links und<br />

dort rechts, die begrenzenden Bühnenpfosten und fühlen uns durchaus nicht mehr – wie<br />

beim eindimensionalen Hören – mitten auf der Szene zwischen den Agierenden, im<br />

Schnittpunkt aller Spannungen, sondern sind in eine Distanz zur Handlung versetzt, die<br />

wir im Hörspiel bisher nicht kannten. Das gilt noch mehr als bei diesem statischdistanzierten<br />

Sprechen zweier Schauspieler bei jedem Sprechen von Akteuren in der<br />

Bewegung, wobei körperlose Stimmen oder Klänge wie Fledermäuse vor uns im realen<br />

Raum hin und her zu schweben scheinen. So ergibt sich etwas wie ein realer Film ohne<br />

Bild, ein Gegenüber ohne Gegenüber. Und selbst wenn die Zuhörer bemüht sind, die<br />

gespenstische Unsichtbarkeit der sonst durchaus körperhaft wirkenden Vorgänge als<br />

neues Kunstmittel zu akzeptieren, dürften sie noch immer quälend die Sinn- und<br />

Belanglosigkeit der äußeren realen Positionen empfinden, da es doch beim Lauschen auf<br />

Sprache und Sprachsinn eigentlich um innere Positionen gehen müßte.<br />

Denn eine Identifizierung von Außen und Innen durch Einbeziehung von Raum und von<br />

Gängen und Bewegungen in Sinnbezüge, so wie es in der Liturgie oder auf dem Theater,<br />

vor allem beim tragischen, geschieht, ergibt vermutlich ebenfalls keinen Ausweg – schon<br />

weil dafür das Auslöschen der Sichtbarkeit genau falsch wäre und keine neuen<br />

Möglichkeiten gegenüber dem sichtbaren Theater erbrächte. Mit Ausnahme vielleicht<br />

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