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Autor: Tilmann P - Landesmedienzentrum Baden-Württemberg

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dieses Wort mit oder dieses Wortes Klang und suche das wirkliche, das gemeinte Wort!<br />

Vielleicht ist es gar kein Wort. Vielleicht ist es eine Farbe, ein Geräusch, ein Bild, ein<br />

Geruch, ein Geschmack? Wer weiß. Das Ziel ist gänzlich unbekannt. Es gibt keinen<br />

Grundton, in dem alles nach ein paar spannenden Modulationen harmonisch endet. Aber<br />

die Grundsubstanz der zwölf Töne gibt es, durch die sich immer wieder hindurchwandern<br />

läßt. Den Weg, den er unter die Füße nimmt, die Straße, auf der er sich bewegt, kennt<br />

Eich genau: es ist die Sprache. »In jeder gelungenen Zeile«, sagt er, »höre ich den Stock<br />

des Blinden klopfen, der anzeigt: Ich bin auf festem Boden.«<br />

So wie Eichs Menschen nur durch das Leiden in ein genaueres Verhältnis zur Wirklichkeit<br />

kommen, gibt es nach Eich auch ein ganz bestimmtes, nur im Dichten näher erfaßbares<br />

Verhältnis der Sprache zur Wirklichkeit. Diese Drei: das Leiden, die Wirklichkeit und die<br />

Sprache scheinen bei Eich eng verschwistert zu sein, wir werden durch das eine zum<br />

anderen hingeführt.<br />

So ist es zu verstehen, wenn für den Dichter die Sprache nicht nur der Stoff ist, aus dem<br />

er formt, sondern überwiegend auch der Gegenstand, um den es geht, das Thema, über<br />

das er schreibt und an dem entlang er sich auf sein Ziel zuzubewegen sucht. Im Hörspiel<br />

handelt es sich dabei immer um gesprochene Sprache, in Eichs Gedichten daneben nicht<br />

selten auch um stumme Sinnzeichen, Buchstaben, die der Vogelfittich auf Wolkenflächen,<br />

das Baumgeäst auf den weißen Gewitterhimmel malt, »Linien der Eisränder«,<br />

»wuchernde Schrift der Ranken«, »Steinmetzzeichen im Laub«, »Fußspur der Wahrheit«.<br />

Günter Bien, der sich mit Eich in mehreren gründlichen Aufsätzen beschäftigt hat,<br />

formuliert: »Alles, was um den Menschen ist, kann bedeutungsvolles Zeichen sein, doch<br />

die Fülle blendet und verringert die Hoffnung. ›Wir wissen nichts und wir verstehen die<br />

Zeichen nicht, die uns bisweilen gegeben werden‹, heißt es in Sabeth. In zwei sich eng<br />

berührenden Gedichten, Die Häherfeder und Tage mit Hähern, erscheint als ein solches<br />

Zeichen die Feder. Schloß das erste Gedicht noch offen: ›Sie liegt wie eine schlaue /<br />

Antwort in meiner Hand‹, so ist am Ende des zweiten die Möglichkeit vertan: ›Ungesehen<br />

liegt in der Finsternis / die Feder vor meinem Schuh‹, achtlos geht der Schritt über das<br />

Zeichen hinweg ... Man erinnert sich, daß Eichs gewichtigster Lyrikband Botschaften des<br />

Regens benannt ist. Alle diese Zeichen sind Wörter, Sätze einer andern, unzugänglichen<br />

Sprache, sind ›Nachrichten, die für mich bestimmt sind, / weitergetrommelt von Regen zu<br />

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