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Autor: Tilmann P - Landesmedienzentrum Baden-Württemberg

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bloß Reproduktion darstellen. In diesem Satz ist die erste Definition des Hörspiels<br />

enthalten.<br />

Wegen seiner seltsamen, bloß akustischen und darum so schnell vergänglichen<br />

Existenzform haben sich die Theoretiker des Hörspiels immer wieder gefragt, wo es denn<br />

Gestalt werde, wo denn die eigentliche »Bühne« des Hörspiels zu suchen sei, wo seine<br />

Vorgänge sich abspielten.<br />

Die Anwendung des Begriffs Bühne in diesem Zusammenhang ist natürlich ein wenig<br />

naiv, aber die Frage kann doch beantwortet werden, sogar falsch: »Die Bühne des<br />

akustischen Theaters ... besteht aus jenem objektiv nicht erkennbaren, unbeweisbaren,<br />

scheinbar unbegrenzten, aber sinnlich nicht wahrnehmbaren Raum, der zwischen dem<br />

Sender und dem Empfänger liegt«, behauptet treuherzig der Schweizer Franz Fassbind,<br />

Verfasser einer Dramaturgie des Hörspiels. Es ist erstaunlich, daß so verquollener Unsinn<br />

noch 1943 zu Papier gebracht werden konnte. Richard Kolb in seinem Büchlein Das<br />

Horoskop des Hörspiels wußte es schon 1932 wesentlich besser: die Handlung »läuft<br />

nicht vor dem Hörer ab, sondern in ihm. Auch die Personen entstehen in ihm. Er schafft<br />

sie dem Dichter nach mit seinen eigenen schöpferischen Kräften.« Und Carl Hagemann<br />

schrieb bereits 1931: »Der Spielplatz des Funks ist die menschliche Phantasie. Der Raum<br />

ist hier imaginär. Der Hörer schafft ihn sich selber. Aus der Idee, den Situationen und<br />

Charakteren des Stückes heraus.« Das bedeutet: weder der Sendesaal, in dem nur<br />

unzusammenhängende akustische Einzelheiten geschehen, ist der Ort, an dem das<br />

Hörspiel »spielt«, ist seine Bühne, noch sind es die Ätherschwingungen zwischen Sender<br />

und Empfänger oder die Membranschwingungen des Lautsprechers, die als<br />

Schwingungen doch nur Übermittlung bedeuten, noch ist es das empfangende Ohr, das<br />

nur ein Werkzeug ist wie das Mikrophon. Allein die empfangsbereite und reaktionsfähige<br />

Phantasie, Herz und Gefühl des Hörers, die beim Lauschen durch das Wort und die<br />

andern akustischen Signale zu spontanem Mitproduzieren angeregt werden, können als<br />

»Bühne des Hörspiels« gelten. Die Akteure sind mitten im Zuhörer. Oder man kann mit<br />

gleichem Recht formulieren: der Zuhörer befindet sich mitten unter den imaginären<br />

Akteuren. Die »Bühne« fällt mit dem »Zuschauerraum«, mit der Stelle, an der innerlich<br />

geschaut und erlebt wird, zusammen.<br />

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