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Autor: Tilmann P - Landesmedienzentrum Baden-Württemberg

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Man kann die neuen Mittel einigermaßen vollzählig benennen und definieren, wenn man<br />

von den mitwirkenden Funktionen ausgeht, die den Text des Dichters im Studio zum<br />

Hörspiel komplettieren.<br />

DIE DARSTELLERISCHEN MÖGLICHKEITEN DES SPRECHERS<br />

Das gesprochene Wort hat seine eigene Möglichkeit, glaubwürdig zu sein: durch den Ton,<br />

in dem es gesprochen wird. Geschriebene Sprache braucht andere Mittel, um den<br />

Eindruck der Glaubwürdigkeit zu erzeugen.<br />

Die Frage, wie weit sich die Sprache verändert hat, seit sie (allgemeiner erst in der Zeit<br />

der Aufklärung) in gedruckter und lesbarer Form verbreitet wurde, seit sie, in fixierte<br />

Zeichen gebannt, auf einmal beständiger, vor allem aber selbständiger war als in der<br />

hinfälligen Form modulierten Atems – diese Frage ist noch nicht gründlich untersucht<br />

worden. Über die Aufgabe dieses Buches geht eine solche Untersuchung weit hinaus.<br />

Hier interessiert der umgekehrte Vorgang: was wurde der Sprache abverlangt, als<br />

plötzlich an die Stelle objektivierender Formulierungen wieder der sprechende Zeuge trat?<br />

Denn darum scheint es sich doch vor allem zu handeln: um die aktuelle Gegenwart des<br />

Erzählenden, der dem Wort zwei Eigenschaften aufprägt, das Improvisatorisch-Spontane<br />

und den Zeugnis-Charakter.<br />

Das eine von beiden, das Spontane und Improvisatorische, konnten wir an derjenigen<br />

Gattung der Dichtkunst, die den Charakter der gesprochenen Sprache niemals<br />

aufgegeben hat, an der dramatischen, immer beobachten, selbst in klassischen Zeiten.<br />

Lessing entschuldigt sich – im zweiten Anti-Goetze –, daß sein Stil uneben und »durch<br />

das Theater ein wenig verdorben« sei, weil »das Theater eben nicht den besten<br />

prosaischen Schriftsteller bilde«. Der »Dialog verlangt mitunter Sprünge, und selten ist ein<br />

hoher Springer ein guter Tänzer«.<br />

Hier ist genau das gemeint, was Schauspieler an einem Dialog als besondere Qualität der<br />

»Sprechbarkeit« empfinden: daß die Repliken sachlich und gedanklich nicht mit genauen<br />

Übergängen aufschließen, sondern daß etwas Alogisches und Sprunghaftes zwischen<br />

ihnen bleibt, Raum für die Darstellung, für Mimus, Geste und Ausdruck. Solche<br />

Strukturierung des Dialogs steht in krassem Gegensatz zum Gesetz klassischer Epik, die<br />

Kontinuität will. Der Unterschied ist wie der zwischen einem Bauwerk aus bearbeiteten<br />

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