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Autor: Tilmann P - Landesmedienzentrum Baden-Württemberg

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DAS RELIGIÖSE HÖRSPIEL<br />

Kühners und Wickerts verwandte Hörspiele vermitteln das Gefühl, daß sie sich an einer<br />

Grenze bewegen, wo die religiöse Problematik die Form für ihre Zwecke braucht, das<br />

Hörspiel zu einem Mittel bloßer Apologetik macht, freie zu angewandter Kunst. Wo liegt<br />

die Grenze, die Kühner noch mehr überschritten zu haben scheint als Wickert, der doch<br />

immerhin die Polarität von Glauben und Zweifel bestehen läßt?<br />

Von jeher galt die Kunst als dem Glauben benachbart. Dabei reichen die verschiedenen<br />

Künste, je nach ihrer Natur, verschieden weit in den geistlichen Bezirk hinein, sind ihm in<br />

verschiedenem Grade und auf verschiedene Art nahe. Auch dem Hörspiel mit seiner<br />

Neigung, beunruhigende Fragen aufzuwerfen und den Hörern aufs Gewissen zu fallen,<br />

wohnt – infolge der spirituellen »Substanz« Wort (wenn man es einmal so ausdrücken<br />

will) – eine starke geistliche Tendenz inne. Sie liegt im Wesen der Form. Gerade deshalb<br />

aber darf die Frage nach der Grenze nicht nur in einer Richtung, sondern sie muß in zwei<br />

Richtungen gestellt werden. Sie muß lauten:<br />

1. Wie weit kann man die spirituelle, quasi »geistliche« Substanz des Hörspiels<br />

verdünnen und verschwinden lassen, ohne daß es seinen Charakter als inneres<br />

Zwiegespräch mit dem Hörer verliert? Etwas derartiges geschieht in den Kategorien des<br />

Unterhaltungshörspiels und des literarischen Hörspiels.<br />

2. Wie weit ist es erlaubt, in entgegengesetzter Richtung zu gehen, nämlich »Aussage«<br />

zu überziehen, sich im Hörspiel direkt zu »engagieren«, theologisch gesprochen, das<br />

Hörspiel zum Mittel der »Verkündigung« zu machen?<br />

Über diese letzte Frage ist in den Jahren 1946 bis etwa 1950, als der kirchliche Einfluß<br />

auf unser geistiges und kulturelles Leben noch sehr viel größer war – heute ist fast nur<br />

mehr der Machteinfluß geblieben –, manches Interessante gesprochen worden. Gerhard<br />

Prager veranstaltete in Stuttgart sogar eine Hörspielreihe Glaube und Gegenwart, die ein<br />

Ergebnis dieser Diskussion war. Doch wurde mit ihr wenig erreicht: von den Hörspielen<br />

der Reihe ist keines ins Repertoire übergegangen. Trotz Wickerts Lot mit der<br />

eindrucksvollen Spiegelszene, in der der Gespiegelte sein Bild im Zorn zertrümmert, um<br />

zu erkennen, daß er sich selbst erst zertrümmern muß, wenn er als ein Besserer wieder<br />

auferstehen soll. Und trotz Christian Bocks Kain lebt, in dem gezeigt wird, wie die<br />

Menschen immer wieder ihre Gottebenbildlichkeit mörderisch zerstören und wie sich<br />

Adam immer aufs neue um sie bemüht.<br />

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