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Autor: Tilmann P - Landesmedienzentrum Baden-Württemberg

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Leidensstationen, von denen das ganze übrige Karfreitagsprogramm bestimmt wird. Aber<br />

ob das alles für die Hörer mehr ist als eine zufällige, äußere Ordnung, eine Reminiszenz?<br />

Es gibt wohl kein Mittel mehr, dem sinnlosen, unaufhörlichen Zeitfluß Einhalt zu gebieten<br />

– es sei denn, wir unterziehen uns, falls unsere Kraft dazu ausreicht, dem mühsamen<br />

Versuch, das permanente Programm sozusagen von Fall zu Fall zu sprengen. Das aber<br />

kann nur durch das Wort gelingen.<br />

Empirische Zeit und der anspruchsvolle Versuch, mit ihr »fertig zu werden, stehen mit<br />

dem Hörspiel im Rundfunkprogramm so hart wie kaum irgendwo sonst nebeneinander:<br />

hier das unaufhörliche Ticken und Tönen und Reden – dort jenes »Verweile« als<br />

Beschwörung durch die magische Kraft dichterischen Anrufs.<br />

ERSTER TEIL: 1923-1945<br />

REPRODUKTIVER UND PRODUKTIVER RUNDFUNK: DIE ERSTE<br />

DEFINITION<br />

Im September 1929 fand in Kassel eine »Arbeitstagung Dichtung und Rundfunk« statt,<br />

eine der glanzvollsten Tagungen der Rundfunk- und Hörspielgeschichte. Vor einem<br />

Gremium, zu dem – außer zahlreichen bekannten Programmredakteuren – unter anderen<br />

Friedrich Bischoff, Herbert Eulenberg, Ludwig Fulda, Ernst Hardt, Herbert Ihering,<br />

Hermann Kasack, Hans Kyser, Alfons Paquet, Friedrich Schnack und Arnold Zweig<br />

gehörten, prägte Alfred Döblin das Wort vorn »Sanierungseingriff des Rundfunks in die<br />

Literatur« und führte folgendes aus:<br />

»Wenn, seit Erfindung der Buchdruckerkunst fortschreitend, die Literatur in unserer Zeit zu<br />

einem stummen Gebiet geworden ist, so braucht das nicht unbedingt ein Vorteil zu sein. Es ist<br />

bestimmt für die Literatur und die Sprache ein Nachteil. Der Buchdruck, die Drucktype hat die<br />

Literatur und uns alle in einer unnatürlichen Weise zu Stummen gemacht; bestimmt hat dadurch<br />

unsere Sprache Schaden genommen; die lebendige Sprache ist in ungenügender Weise in die<br />

geschriebene eingedrungen, und so hatte die Buchdruckerkunst bei uns offenbar eine Anämie<br />

und Vertrocknung der Sprache im Gefolge. Da tritt nun im ersten Viertel des zwanzigsten<br />

Jahrhunderts überraschend der Rundfunk auf und bietet uns, die wir mit Haut und Haaren<br />

Schriftsteller sind, aber nicht Sprachsteller, – und bietet uns wieder das akustische Medium, den<br />

eigentlichen Mutterboden jeder Literatur ... Das ist ein großer Vorteil, der ausgenützt werden<br />

muß. Es heißt jetzt Dinge machen, die gesprochen werden, die tönen. Jeder, der schreibt, weiß,<br />

daß dies Veränderungen bis in die Substanz des Werkes hinein im Gefolge hat ...<br />

Formenveränderung muß oder müßte die Literatur annehmen, um rundfunkgemäß zu werden.«<br />

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