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Autor: Tilmann P - Landesmedienzentrum Baden-Württemberg

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Liebeneiner und Borchert abgesprochene Spielbuch für die Uraufführung bei den<br />

»Hamburger Kammerspielen«, den Text, den Rowohlt seither in Rollenbüchern und im<br />

Druck verbreitet. Doch der Vergleich führt nicht zu neuen Erkenntnissen. Der Wortlaut der<br />

»Gesamtausgabe« ist zwar ziemlich genau 18 bis 20 (von insgesamt 63) Seiten kürzer als<br />

derjenige der Hörspielinszenierung, die Angaben des Borchert-Briefs sind also<br />

zuverlässig. Aber die Striche stellen keinesfalls etwas wie eine Bearbeitung dar, sie<br />

wurden nicht nach irgendwelchen akustischen oder hörspieldramaturgischen<br />

Gesichtspunkten vorgenommen, sondern sind bloß »Innenstriche« um des Tempos willen.<br />

Struktur und Dynamik – auch das deutet Borcherts Brief an – sind hier wie dort vollständig<br />

gleich. Das heißt: es gibt mit Sicherheit weder eine Bühnen- noch eine Rundfunkfassung,<br />

die einzige Fassung, die existiert, hat unverändert die Form, die vermutlich sehr spontan<br />

und expressiv der dichterischen, der akustischen Phantasie Borcherts entsprungen ist.<br />

Ich möchte allerdings Prager in einem nicht beistimmen: daß auch die Sprachgestalt, die<br />

»Virtuation«, das stammelnde Wiederholen von Wort und Sätzen, das allzu stürmisch und<br />

allzu laut Herausfordernde, typische Hörspielsprache sei. Am Lautsprecher empfindet<br />

man: Borchert gibt sich mehr expressiv und weniger intensiv, als einem Hörspiel<br />

zuträglich ist. Deshalb entschlossen wir uns 1952 zu einer Neuproduktion – in der<br />

Hoffnung, man könne vielleicht bei genau gleicher Regie und Besetzung hörspielgemäßer<br />

unterspielen und intensivieren. Doch hat sich dabei erwiesen, daß der Text das nicht<br />

zuläßt: er braucht die für unsern Geschmack übermäßig ekstatische Darstellung. Die erste<br />

Inszenierung aus dem Geist der Zeit, in der Borcherts Werk entstand, ist trotz oder<br />

vielleicht gerade wegen des mangelnden Understatements wahrscheinlich für immer<br />

unübertrefflich. (So ist es auch gut, daß gerade diese Produktion als gültiges literarisches<br />

Dokument jener Jahre jetzt im Schallplattenhandel käuflich ist. ∗ )<br />

Sonst aber steht außer Zweifel, daß Borcherts Werk geradezu das Muster eines Hörspiels<br />

ist, an dem die Erzähl- und Blendtechnik, die Stilisierung der Figuren und der Grad<br />

möglicher Abstraktion, die Verinnerlichung des Schauplatzes und das Musikalisch-<br />

Fragmentarische der Handlungsführung, die Schluß-Koda mit der Wiederkehr aller<br />

Gestalten und das abrupte Stehenlassen des letzten Anrufs (also genau alles das, was<br />

auf der Bühne untragbar ist) studiert und exemplifiziert werden kann. So bildet das Stück,<br />

∗ Zwei 30-cm-Langspielplatten in Cottas Hörbühne, Verlag Cotta, Stuttgart.<br />

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