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Autor: Tilmann P - Landesmedienzentrum Baden-Württemberg

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Beim Lindberghflug wußte Brecht das noch nicht, beim Lukullus hatte er, bis er unter die<br />

Funktionäre fiel, alle sonst explosive Kraft bereits nach innen gewendet. Und überdies hat<br />

er – als einer der ersten in der jungen Hörspielkunst – sehr präzise »gehört«, was er<br />

schrieb, sozusagen in Strophen, Räumen und Schichten, sogar da und dort in mehreren<br />

kontrapunktierten akustischen Schichten gleichzeitig:<br />

Der monotone, schleppende, etwas ungenaue Gleichschritt des Trauerzuges – der<br />

Soldaten mit dem Katafalk, der Sklaven mit dem Fries – stapft schon lange an uns vorbei,<br />

ehe der »Ausrufer« die ersten Worte des Stücks zu sprechen beginnt, stapft während<br />

seines Rufens weiter; selbst beim Lesen glaubt man das Treten und Scharren zu hören.<br />

Das schreitet und schreitet vorüber an den Zahllosen, die vom Saum der Straße her ihre<br />

hämischen und bewundernden Glossen machen, wächst, nimmt ab, verliert sich in der<br />

Ferne, um nach Unterbrechung durch die kindischen, aufgesagten Schulbuchverse wieder<br />

hervorzukommen, sich zu nähern und endlich auf ein ›Halt‹kommando still zu stehen. Nun<br />

läßt sich vor dem Hintergrund des totalen Schweigens plötzlich eine »fahle« Stimme<br />

hören. Sie ist das erste Signal aus der andern Welt, in der immer nur Schweigen<br />

herrschen wird. Und nun beginnt die äußere Bewegung sich endgültig in innere zu<br />

verwandeln. Nur noch der – niemals gewaltsame, aber intensive Rhythmus der Sprache<br />

mit dem vielsagenden Wechsel zwischen jambischer, trochäischer oder daktylischer<br />

Färbung (freilich weiter zum Ende hin auch immer schlichter, immer weniger malend) gilt<br />

angesichts dieser Stille. Einmal noch wird die Stille von den Trippelschritten der befreit<br />

auseinanderlaufenden Trauergäste unterbrochen, einmal durch das hörbare<br />

Hindurchtreten der Sklaven durch die Mauer der Gruft »aus dem Leben in den Tod«, und<br />

zweimal schließlich durch die sprachlich eigentümlichen Intermezzi oberweltlicher<br />

Vorgänge. All dies Gewese verstärkt mit seinem Kontrast das große Schweigen nur. In<br />

ihm sind wir mit dem richtenden Wort allein, wie bei keinem Hörspiel zuvor. Und wie noch<br />

nie, auch später vielleicht nicht wieder mit gleicher Genialität, sind Vers und Sprache, statt<br />

sich selbst deklamatorisch-balladesk zu erhöhen, immer nur verwendet, die Figuren und<br />

die immer neuen Wendungen des Vorgangs sinnfälliger zu machen, die Eindringlichkeit<br />

der Bilder zu vergrößern. Mehr als ein dutzendmal steht das Wort »Stille« im Manuskript,<br />

und auch das Ende ist ja in der ersten Fassung die große Stille, die offene Frage.<br />

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