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Autor: Tilmann P - Landesmedienzentrum Baden-Württemberg

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Hörspiele Archibald MacLeish entwickelten, schon seltene Ausnahmeerscheinungen<br />

blieben. Dagegen gibt es volkstümliche, den Sketchen und Einaktern ähnliche Strukturen<br />

mit wenig Personen und ohne Problem oder mit handfester Modellproblematik, die zwar<br />

vielfach als Hörspiele geschrieben wurden, für deren Realismus aber dann die Erfindung<br />

des Fernsehens geradezu eine Erlösung war.<br />

Anders, wo die Gesetzgebung jene notwendige Freiheit (auch vom Kommerziellen)<br />

bewirkte und wo Experimente möglich waren: überall da schlug die Entwicklung den Weg<br />

zum spezifischen Rundfunkwerk ein. Das geschah nicht nur in Deutschland, sondern<br />

auch in England, Italien, Frankreich, Skandinavien und außerhalb Europas vor allem in<br />

Japan. ∗<br />

In Rufer und Hörer hat Reinacher schon 1931 die außerordentlichen Möglichkeiten, die<br />

dem Hörspiel aus seiner Freiheit, z. B. gegenüber dem Theater, erwachsen,<br />

charakterisiert:<br />

»Das Hörspiel bietet mir die würdigeren Bedingungen des Schaffens. Wie ist das möglich?<br />

Darum, weil der Rundfunk in größeren Verhältnissen steht. Er bietet mehr Ausgleich der<br />

Spannungen, mehr Stetigkeit und dadurch mehr Überblick und mehr Freiheit. Der<br />

Theaterdirektor, der sich entschlossen hat, ein Stück zu bringen, muß diesem Stück vor den<br />

einigemal-hundert Theaterbesuchern eines Abends zum Erfolg verhelfen, so daß sie<br />

mindestens fünf Minuten lang nach dem Fall des Vorhangs klatschen. Dabei gibt es kaum eine<br />

Norm der Beschaffenheit, aus der eine sichere Voraussetzung des Erfolgs zu entnehmen wäre.<br />

Die Interessen des Publikums sind zu wenig einheitlich dazu. Dagegen sind die Rundfunkhörer<br />

so gemischt, daß der Durchschnittsansatz der Berechnung stimmt, daß der Rundfunk mit den<br />

soundsoviel Tausenden, die er für das Hören gewinnen will, leichteres Spiel hat als das Theater<br />

mit den Hunderten, die für das Klatschen gewonnen werden müssen. Das Hörspiel ist, was es<br />

ist; es ist gesendet worden, wer es hören wollte, hörte, und wem es nicht zusagte, schaltete ab<br />

bis zur nächsten Darbietung, die ihn lockte. Wenn ein Hörspiel stofflich geeignet ist, so wird es<br />

unter der großen Zahl von Hörern so viel Freunde finden, daß die Sendung sich gelohnt haben<br />

wird, auch wenn es vielen Hörern nicht zusagen konnte. So kann das Hörspiel wagen, was auf<br />

der Bühne undenkbar geworden ist. Es kann sich auf Landschaften der Seele einstellen, die aus<br />

der psychologischen Geographie der Bretter gestrichen sind. Das Hörspiel darf glauben, lieben,<br />

hoffen, es darf scherzen, singen, weinen, es darf aus vollem Herzen lachen, mit einem Wort: es<br />

darf sein, wo das Bühnenstück darauf angewiesen ist, im derbsten Sinne zu wirken. Und es darf<br />

trotz Sünden gegen die Bürger von rechts-rechts bis links-links dankbarer Hörer gewiß sein.«<br />

∗ Die Anhänger eines »kommerziellen«, das heißt durch Werbung zu finanzierenden Rundfunks und<br />

Fernsehens, bezeichnen die Rundfunkfreiheit in den aktuellen politischen Auseinandersetzungen gern<br />

als »Monopolstellung der Rundfunkanstalten«. Aber die Anwendung dieses Begriffs aus der Wirtschaft<br />

auf einen geistigen Tatbestand, wo er das Gegenteil bedeuten müßte, wenn er nicht sinnlos sein soll –<br />

nämlich Freiheit vom Zugriff jeder Machtgruppe, die gern selbst das Monopol hätte – ist unverkennbar<br />

demagogisch. Die Frage ist: soll der Staat interessenabhängige Sendegesellschaften lizenzieren oder<br />

durch Gesetz unabhängige – im labilen Gleichgewicht zwischen den Kräften – konstituieren? Läßt sich<br />

ein Primat politischer oder wirtschaftlicher Aspekte vermeiden, wird die kulturelle Freiheit gewinnen.<br />

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