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Geschichte und Geschichtsschreibung der deutschen ...

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Philosophie 119<br />

Um nun einen Maßstab <strong>der</strong> Beurteilung dessen, was Ideologie <strong>und</strong><br />

Entfremdung heiße, zu gewinnen, „den man nicht innerhalb <strong>der</strong> gesellschaftlichen<br />

Prozesse, son<strong>der</strong>n nur außerhalb, nämlich durch die<br />

Beantwortung <strong>der</strong> Frage nach dem originären Wesen des nichtentfremdeten<br />

<strong>und</strong> deshalb ohne falsches Bewußtsein auskommenden<br />

Menschen" (158), finden könne, entwirft Kofier eine „dialektische<br />

Anthropologie" zur „kritischen Beurteilung <strong>der</strong> historischen Konkretionen<br />

menschlicher Existenz" (17). Jede kritische Theorie, die den<br />

„Prozeß <strong>der</strong> Verinnerlichung des entfremdeten <strong>und</strong> verdinglichten<br />

Bewußtseins" (19) analysieren wolle, setze „letztlich einen exakt<br />

definierten Begriff des Menschen, eine exakte Definition seines<br />

eigentlichen Wesens voraus" (23). In einer kurzen Freudkritik stellt<br />

Kofier dar, daß dieser den unterm Tauschverhältnis lebenden Menschen<br />

überhaupt abstrahiert <strong>und</strong> kommt zur Erkenntnis, daß die<br />

„exakte Bestimmung des menschlichen Wesens", wenn sie nicht<br />

historische Beson<strong>der</strong>heiten verallgemeinern will, nur in den „formalen<br />

Voraussetzungen menschlicher Existenz" (26) bestehen könne,<br />

also gerade nicht in exakten Bestimmungen, son<strong>der</strong>n, wie sich später<br />

zeigt, in spekulativen Konstruktionen einer dialektischen Einheit des<br />

Apollinischen <strong>und</strong> Dionysischen im spielenden Menschen (35—36 <strong>und</strong><br />

im Kapitel „Das Apollinische <strong>und</strong> das Dionysische in <strong>der</strong> utopischen<br />

<strong>und</strong> antagonistischen Gesellschaft"). Anthropologie sei daher „die<br />

Wissenschaft von den unverän<strong>der</strong>lichen Voraussetzungen menschlicher<br />

Verän<strong>der</strong>lichkeit" (28) <strong>und</strong> das „eigentliche Wesen des Menschen"<br />

seine „Verän<strong>der</strong>lichkeit im historischen Räume". Als solche,<br />

die gesamte menschliche Existenz formal ermöglichende Gr<strong>und</strong>lagen<br />

(27) erscheinen nun in für Kofiers Überbetonung des Bewußtseins<br />

charakteristischer Weise 1. das Bewußtsein (vgl. dazu vor allem<br />

28—33), 2. daß <strong>der</strong> Mensch ein Naturwesen sei, daß er 3. eine körperliche<br />

Organisation habe <strong>und</strong> 4. eine seelische Struktur (28). Daß <strong>der</strong><br />

Mensch „ein tätiges Wesen" sei, erfährt man erst später (34). Alle<br />

weiteren Bestimmungen werden an die Soziologie <strong>und</strong> Geschichtswissenschaft<br />

delegiert.<br />

Kofler sieht nicht, daß <strong>der</strong> Zweck seines anthropologischen Ansatzes,<br />

einen Maßstab für die Kritik <strong>der</strong> falschen Bedürfnisse zu<br />

geben, durch die Bestimmung <strong>der</strong> bloß formalen Voraussetzungen<br />

menschlicher Existenz nicht gelingen kann <strong>und</strong> er ergeht sich in endlosen,<br />

unfruchtbaren Begriffsdiskussionen <strong>und</strong> Beteuerungen, daß<br />

„das eigentliche Wesen des Menschen untrennbar mit seiner <strong>Geschichte</strong><br />

verknüpft" sei etc. Anstatt in den „falschen" Bedürfnissen<br />

<strong>und</strong> ihrer scheinhaften Befriedigung das Moment <strong>der</strong> wirklichen<br />

Bedürfnisbefriedigung zu zeigen <strong>und</strong> so den Transport <strong>der</strong> wirklichen<br />

Bedürfnisse aus <strong>der</strong> <strong>Geschichte</strong> in eine ahistorische Residualkategorie<br />

des „eigentlichen, nichtentfremdeten Menschen" zu verhin<strong>der</strong>n,<br />

unterliegt er <strong>der</strong> Gefahr, aus <strong>der</strong> bestimmten in die totale<br />

Negation, aus <strong>der</strong> Negation einer bestimmten historischen Form in<br />

die Negation <strong>der</strong> <strong>Geschichte</strong> überhaupt abzugleiten <strong>und</strong> das Wesen<br />

außerhalb <strong>der</strong> <strong>Geschichte</strong> anzusiedeln. Das verbindet ihn mit <strong>der</strong> von<br />

ihm so sehr bekämpften F<strong>und</strong>amentalontologie. So wird das Falsche

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