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Geschichte und Geschichtsschreibung der deutschen ...

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<strong>Geschichte</strong> 155<br />

bayerische Entwicklung möglich (auch Eisner gab sich wohl zeitweise<br />

dieser Illusion hin), aber es kann heute doch kein Zweifel mehr<br />

daran bestehen, daß Probleme <strong>und</strong> Chancen <strong>der</strong> Revolution in Bayern<br />

von <strong>der</strong> Gesamtentwicklung im Reich abhängig waren. Nicht zuletzt<br />

deshalb war ja das Experiment einer Räterepublik von vornherein<br />

zum Scheitern verurteilt.<br />

Das Gr<strong>und</strong>problem <strong>der</strong> Revolution in Bayern sieht Mitchell in <strong>der</strong><br />

Frage, ob es möglich war, Räte <strong>und</strong> Parlament irgendwie miteinan<strong>der</strong><br />

zu verbinden. Er beruft sich dabei auf Eisners wie<strong>der</strong>holt ausgesprochene<br />

For<strong>der</strong>ungen, die Räte zu institutionalisieren, ohne den<br />

Parlamentarismus dadurch vollständig abzulösen. Es ist allerdings<br />

fraglich, ob es sich hier bei Eisner um ein politisches Prinzip o<strong>der</strong><br />

mehr um eine Sache <strong>der</strong> Strategie <strong>und</strong> Taktik gehandelt hat. Eisner<br />

hatte den Willen zu revolutionären Än<strong>der</strong>ungen, ohne dabei die<br />

schmale Basis <strong>der</strong> wirklich revolutionären Kräfte zu übersehen: er<br />

konnte nicht gegen das parlamentarische Prinzip agieren, aber er<br />

war auch angesichts seiner Wahlnie<strong>der</strong>lage (die USP erhielt am<br />

12. 1. 19 nur 2,5 % <strong>der</strong> Stimmen!) nicht zur sofortigen Unterwerfung<br />

bereit, son<strong>der</strong>n arbeitete durch Verzögerung <strong>der</strong> Einberufung <strong>der</strong><br />

bayerischen Konstituante zielstrebig auf Zeitgewinn. Die Radikalisierung<br />

im Frühjahr war dann freilich nicht das Ergebnis seiner<br />

Politik, son<strong>der</strong>n seines Todes.<br />

Mitchell hat in seinem Urteil über Personen, Ereignisse <strong>und</strong> Ziele<br />

<strong>der</strong> Revolution eine „unparteiliche" Haltung, er amtiert vielfach als<br />

„Schiedsrichter" über den Parteien. Seine Vorstellung von den Aufgaben<br />

<strong>der</strong> Revolution, von dem Wünschenswerten, wenn auch nicht<br />

immer Erreichbaren, bleibt unscharf. Seine Diskussion <strong>der</strong> Ursachen<br />

<strong>der</strong> Revolution zielt daher auch mehr auf die Ursachen des Zusammenbruchs,<br />

des Zerfalls <strong>der</strong> staatlichen Autorität. Mitchell hält mit<br />

A. Rosenberg die Revolution für „unnötig", da ihre Ziele durch die<br />

mit den Oktoberreformen im Reich eingetretene Parlamentarisierung<br />

bereits verwirklicht worden seien (wobei er allerdings übersieht,<br />

daß Rosenberg nur eine „bürgerlich-demokratische", keineswegs<br />

aber eine sozialistische Revolution für unnötig hielt!). Die<br />

Frage nach <strong>der</strong> sozialen Basis eines funktionierenden parlamentarischen<br />

Systems, nach den Zusammenhängen zwischen politischer <strong>und</strong><br />

wirtschaftlicher Verfassung wird nicht erörtert, auch die 1918/19 immer<br />

wie<strong>der</strong> geäußerte Auffassung, daß „Demokratisierung" zunächst<br />

vor allem den möglichst vollständigen Wechsel <strong>der</strong> Führungsschichten<br />

in Verwaltung, Militär <strong>und</strong> Wirtschaft bedeuten müsse, bleibt<br />

<strong>und</strong>iskutiert. So bietet Mitchell statt Problemgeschichte schließlich<br />

doch nur Ereignisgeschichte, in <strong>der</strong> die Kritik auf das unmittelbar<br />

Nachrechenbare beschränkt bleibt.<br />

Da auch Mitchell sich an einer wichtigen Stelle durch Rosenberg<br />

in einem Irrtum bestätigt glaubt, sei eine allgemeine Bemerkung<br />

zum Schluß gestattet. A. Rosenbergs „Enstehung <strong>und</strong> <strong>Geschichte</strong> <strong>der</strong><br />

Weimarer Republik" stellt zweifellos noch heute die wichtigste sozialistische<br />

Gesamtdarstellung <strong>der</strong> Revolution dar. Es ist das Buch, von<br />

dem <strong>der</strong> Student heute am ehesten Orientierung über die Révolu-

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