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Geschichte und Geschichtsschreibung der deutschen ...

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120 Besprechungen<br />

nicht als eine falsche Gestalt des Wahren erkannt, son<strong>der</strong>n verdichtet<br />

sich zum bloßen Sdiein, den man nicht mehr „immanent", an seinem<br />

eigenen Anspruch <strong>der</strong> Bedürfnisbefriedigung messen könne, son<strong>der</strong>n<br />

nur noch transzendent, von „außerhalb <strong>der</strong> <strong>Geschichte</strong>". Kofler, <strong>der</strong><br />

im selben Buch in seiner Marcuse-Kritik eingehend dieses theoretische<br />

Versagen darstellt, begeht es in <strong>der</strong> Konstruktion seiner<br />

dialektischen Anthropologie selber. Allerdings wird diese nicht zu<br />

einer propagandistischen Utopie ausgemalt, son<strong>der</strong>n bleibt bei Kofiers<br />

ausgeprägtem historischen Bewußtsein lediglich eine nutzlose<br />

Abstraktion.<br />

Abgesehen von diesem mißlungenen Versuch zur Gr<strong>und</strong>legung<br />

einer dialektischen Anthropologie konzentriert sich Kofiers Interesse<br />

auf eine Kritik <strong>der</strong> bürgerlichen Ideologie (Heidegger, Tillich, Sartre,<br />

Holz, An<strong>der</strong>s, Adorno, Horkheimer, Habermas <strong>und</strong> Marcuse), vor<br />

allem <strong>der</strong> Frankfurter Schule. Unter den Überschriften „Die quasinaturphilosophische<br />

Stufe <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen Gesellschaftsphilosophie"<br />

<strong>und</strong> „Humanismus o<strong>der</strong> Marxo-Nihilismus" schreibt Kofler über<br />

Adorno, Habermas <strong>und</strong> Marcuse: Dem ideologischen Schein nach ist<br />

die Vollendung des kritischen Weges gerade dadurch erreicht, wenn<br />

erkannt ist, daß ausnahmslos alle Erscheinungen so total verdinglicht<br />

sind, daß es mit Ausnahme <strong>der</strong> rein theoretischen Position <strong>der</strong> dialektischen<br />

Kritik selbst, an keinem Punkte einen Ausbruch geben<br />

kann. Es entsteht dann ein Bild einer restlos verdinglichten zweiten<br />

Natur <strong>und</strong> damit ein in vieler Hinsicht falsches Bild von <strong>der</strong> heutigen<br />

Gesellschaft. Das dialektische Denken wird überspannt bis zur Machtlosigkeit<br />

alles Subjektiven gegenüber allem Objektiven <strong>und</strong> zieht<br />

auch die geschichtliche Vergangenheit in sich hinein. So erscheint die<br />

bruchlos zur zweiten Natur verdichtete Interpretation <strong>der</strong> Gesellschaft<br />

durch die <strong>Geschichte</strong> bestätigt. Indem die Analyse <strong>der</strong> Einzelerscheinungen<br />

weitgehend vernachlässigt wird <strong>und</strong> diese durch oberflächliche<br />

Deskription zu allgemeinen Tendenzen zusammengefaßt<br />

werden, entsteht eine eigenartige theoretische Rückkehr zu einem<br />

System von quasi-philosophischen Bestimmungen <strong>der</strong> gesellschaftlich<br />

relevanten Phänomene <strong>und</strong> Begriffe, die durch marxistische Reminiszenzen<br />

behin<strong>der</strong>t wird. Die Schranke dieser Gesellschaftstheorie<br />

liegt nicht darin, daß sie die in <strong>der</strong> hochbürgerlichen Epoche extrem<br />

in Erscheinung tretenden Tendenzen <strong>der</strong> Verdinglichung <strong>und</strong> Fetischisierung<br />

untersucht, son<strong>der</strong>n daß sie diese zum negativen Schicksal<br />

von gleichsam unentrinnbarer Gewalt mythologisiert, ohne sich<br />

um die Analyse von Staat, Bürokratie, bürgerliche <strong>und</strong> progressive<br />

Elite, Intelligenz, mo<strong>der</strong>nes Proletariat, Kleinbürgertum, Gewerkschaften,<br />

Verbände, Managertum, Kriminalität etc. zu kümmern<br />

o<strong>der</strong> nur insoweit, als diese die allgemeinen Thesen zu bestätigen<br />

scheinen. Weil aber die spätkapitalistische Gesellschaft alle Möglichkeiten<br />

zum Wi<strong>der</strong>spruch angeblich in sich aufgehoben hat (Kofler<br />

kritisiert eingehend die Konstruktion dieses zementierten Ganzen),<br />

entsteht eine kontemplative Distanz zum gesellschaftlichen Prozeß,<br />

aus <strong>der</strong> heraus „mögliche Praxis" verneint wird. Der „nonkonformistisch<br />

maskierte Konformismus" (Lukâcs) verharrt in verantwor-

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