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Geschichte und Geschichtsschreibung der deutschen ...

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80 Wolfgang Fritz Haug<br />

schließlich: geht es doch nicht um das Aufsagen heiliger Texte, son<strong>der</strong>n<br />

darum, sich mit aller Kraft voranzuarbeiten auf dem schwierigen<br />

Weg des Kampfes <strong>und</strong> des Aufbaus. — Innerhalb <strong>der</strong> weltweiten<br />

sozialistischen Bewegung ist das Verhältnis zu den Klassikern des<br />

Sozialismus demgemäß primär keines <strong>der</strong> historischen Würdigung,<br />

keines zu einer Vergangenheit, son<strong>der</strong>n ein aktuelles <strong>der</strong> konkurrierenden<br />

Auslegung <strong>und</strong> rechtfertigenden Anknüpfung.<br />

Dementsprechend stellen die sozialistischen Klassiker erst recht<br />

auf <strong>der</strong> Ebene des ideologisch-propagandistischen Kampfes zwischen<br />

Kapitalismus <strong>und</strong> Sozialismus eine ständig umkämpfte Stellung dar.<br />

Die vielfältigen Formen, in denen diese bürgerlicherseits angegriffen<br />

wird, sind dem Anschein nach wi<strong>der</strong>sprüchlich. Sie reichen vom Totschweigen,<br />

Wi<strong>der</strong>legen o<strong>der</strong> persönlicher Diffamierung bis zur hochlobenden<br />

Anerkennung integrer — aber lei<strong>der</strong> irrealer — Ideen, die<br />

dann gegen die aktuellen sozialistischen Organisationen gerichtet<br />

werden. Taktiken <strong>der</strong> Vernichtung o<strong>der</strong> Verdrängung stehen neben<br />

solchen <strong>der</strong> umdeutenden Vereinnahmung o<strong>der</strong> des Ausspielens: des<br />

Jungen gegen den Alten, des einen gegen den an<strong>der</strong>n, <strong>der</strong> Theoretiker<br />

gegen die Praxis. So wi<strong>der</strong>sprüchlich diese Formen bürgerlichen<br />

Umgangs mit dem Werk <strong>der</strong> sozialistischen Klassiker sind, so verschiedenartig<br />

auch die Träger dieser Umgangsformen in ihrer subjektiven<br />

Ausbildung <strong>und</strong> Intention sein mögen, so bleibt doch <strong>der</strong><br />

allgemeine Rahmen des nationalen <strong>und</strong> internationalen Kampfes<br />

zwischen Sozialismus <strong>und</strong> Kapitalismus bestimmend für die Rezeption<br />

<strong>und</strong> Auswirkung aller dieser Formen. Die unterschiedlichsten<br />

Stellungnahmen fungieren doch wie taktisch raffiniert differenzierte<br />

Angriffe im Dienste einer einheitlichen Strategie gegen den Sozialismus.<br />

Auf dem Markt <strong>der</strong> Ideen unterliegen Nachfrage <strong>und</strong> Angebot<br />

<strong>der</strong>artiger Auseinan<strong>der</strong>setzungen — vor allem mit Marx — den<br />

Wechselfällen dieser allgemeinsten <strong>und</strong> globalen Auseinan<strong>der</strong>setzung<br />

<strong>der</strong> Epoche. So kommt es, daß, auch auf dem Gebiet <strong>der</strong> Marx-<br />

Abwehr, die Schulen <strong>und</strong> Strömungen anscheinend naturwüchsig<br />

aufeinan<strong>der</strong> folgen, als wären sie durch nichts an<strong>der</strong>es motiviert, als<br />

durch kontingente subjektive Faktoren, die mal diese, mal jene<br />

Variante überzeugend erscheinen <strong>und</strong> irgendwann wie<strong>der</strong> veralten<br />

lassen. Auf dem Felde <strong>der</strong> Ideologie entspricht <strong>der</strong> Vorgang <strong>der</strong><br />

Abfolge von Waffengenerationen auf militärischem Gebiet. Wenn<br />

eine ideologische Waffe unwirksam geworden ist, tritt eine an<strong>der</strong>e<br />

an ihre Stelle. Wenn in <strong>der</strong> Bekämpfung des Marxismus etwa die<br />

gröberen Techniken versagen, rücken feinere in den Vor<strong>der</strong>gr<strong>und</strong>.<br />

O<strong>der</strong> es werden schichtenspezifische Techniken angewandt: für die<br />

Massen die gröberen, für die Intellektuellen die feineren. Die Zielstellung<br />

bleibt davon unberührt. Immer geht es um Legitimitätsentzug<br />

hinsichtlich <strong>der</strong> Organisationen <strong>und</strong> um das Ausreden strategisch<br />

politischer Waffen in Theorie <strong>und</strong> Praxis.<br />

Wenn also um das Bild <strong>der</strong> sozialistischen Klassiker <strong>und</strong> um die<br />

Interpretation ihrer Werke gestritten wird, so sind die damit aufgeworfenen<br />

Fragen von praktisch politischer Relevanz, greifen ein in<br />

die Auseinan<strong>der</strong>setzung von Kapitalismus <strong>und</strong> Sozialismus. Dessen

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