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Geschichte und Geschichtsschreibung der deutschen ...

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68 Bärbel Kunze<br />

müßte sich doch bei einer Analyse <strong>der</strong> in <strong>der</strong> Partei in den letzten<br />

Jahren <strong>der</strong> Weimarer Republik vorhandenen Faschismuseinschätzungen<br />

erweisen, daß mit <strong>der</strong> Etablierung eines faschistischen Systems<br />

in Deutschland von seiten <strong>der</strong> sozialdemokratischen Führung durchaus<br />

nicht so fest geredinet wurde, wie Matthias mit seiner Darstellung<br />

von <strong>der</strong> zum antifaschistischen Kampf gerüsteten Partei offenbar<br />

glauben machen möchte.<br />

Zur Unterstützung dieser These seien hier beispielhaft einige Prognosen<br />

aus den letzten Monaten <strong>der</strong> Weimarer Republik über die<br />

Entwicklung <strong>der</strong> faschistischen Bewegung in Deutschland angeführt,<br />

wie sie sich in parteioffiziellen Organen finden <strong>und</strong> die politischen<br />

Vorstellungen <strong>der</strong> Parteimitglie<strong>der</strong> beeinflußt haben mußten: So<br />

schreibt etwa <strong>der</strong> Hannoversche „Volkswille" nach den Reichstagswahlen<br />

vom 31. Juli 1932:<br />

„Es ist also nichts geworden aus <strong>der</strong> Machtübernahme <strong>und</strong> es wird<br />

auch niemals mehr etwas daraus werden. Der Traum vom ,Dritten<br />

Reich' ist ausgeträumt. Die Wahl hat gezeigt, daß die Rechtsparteien<br />

in Deutschland niemals die Mehrheit bekommen können <strong>und</strong> werden<br />

61."<br />

Im Vorwärts vom 18. November war zu lesen:<br />

„Hitler soll Reichskanzler werden? Er hat in drei Monaten zwei<br />

Millionen Stimmen verloren. Macht er in demselben Tempo weiter,<br />

so ist er in 15 Monaten fertig. Möglich, daß es noch viel schneller<br />

geht, wenn er Reichskanzler wird."<br />

In dem Aufruf „An die Partei" vom 5. Dezember 1932 verkündete<br />

<strong>der</strong> Parteivorstand <strong>der</strong> SPD:<br />

„Es wird für alle Zeiten das geschichtliche Verdienst <strong>der</strong> Sozialdemokratie<br />

bleiben, den Faschismus so lange von <strong>der</strong> Macht ferngehalten<br />

zu haben, bis sein Abstieg in <strong>der</strong> Volksgunst begann 52 ."<br />

Und im „Volkswillen" vom 15. Januar 1933 wurde festgestellt:<br />

„1932 wird in <strong>der</strong> <strong>Geschichte</strong> fortleben als das Jahr, in dem <strong>der</strong> Entscheidungskampf<br />

gegen den Faschismus geführt <strong>und</strong> in Deutschland<br />

<strong>und</strong> damit gleichzeitig auch für Mitteleuropa gewonnen wurde.<br />

Hitlers Krieg ist verloren ..."<br />

Die Ursache für diese Fehleinschätzung <strong>der</strong> politischen Entwicklung<br />

ist sicherlich in erster Linie darin zu sehen, daß die Sozialdemokraten<br />

eine tatsächliche Faschismusanalyse nicht zu leisten vermochten,<br />

die an den für die Weimarer Republik in dieser Zeit spezifischen<br />

Bedingungen <strong>der</strong> ökonomischen Reproduktion <strong>der</strong> Gesellschaft<br />

<strong>und</strong> den konkreten Kräfteverhältnissen zwischen den verschiedenen<br />

sozialen Klassen orientiert war. Denn die sich aus <strong>der</strong> reformistischen<br />

Konzeption <strong>der</strong> Partei ergebende Identifikation mit dem kapitalistischen<br />

Staat mußte es <strong>der</strong> Sozialdemokratie unmöglich machen, die<br />

51 „Der Volkswille", 1. August 1932.<br />

52 „Vorwärts", 6. Dezember 1932.

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