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Geschichte und Geschichtsschreibung der deutschen ...

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84 Wolfgang Fritz Haug<br />

Die Bestreitung <strong>der</strong> Wissenschaftlichkeit spielt durchweg eine<br />

wichtige Rolle bei den ausnahmslos sehr inhaltsleeren Bemerkungen<br />

über die Schriften von Engels <strong>und</strong> Marx. So heißt es von Engels'<br />

Studie „Die Lage <strong>der</strong> arbeitenden Klasse in England", sie sei „kein<br />

wissenschaftliches Buch" (39) <strong>und</strong> keine „wahrhafte Studie" (41),<br />

son<strong>der</strong>n sie verbreite Legende (40). „Vor allem", betont Hirsch, „erhielten<br />

die Unternehmer, was immer sie unternehmen mochten, beständig<br />

unrecht" (41). Daß es Engels bereits um Kapitalismusanalyse<br />

<strong>und</strong> nicht um moralische Beurteilung von „Unternehmern" ging,<br />

fällt dabei unter den Tisch. Statt dessen unterschiebt Verfasser seine<br />

eigene Deutung im selbstverständlichen Ton wissenschaftlicher Neutralität:<br />

Engels Schrift gebe einen „Überblick über die Folgen einer<br />

allzu raschen Industrialisierung" (42). Dem muß entgegnet werden,<br />

daß Kategorien <strong>der</strong> Geschwindigkeit sozialhistorisch <strong>und</strong> ökonomisch<br />

völlig unangemessen sind bei <strong>der</strong> Beurteilung eines nicht geplanten<br />

naturwüchsigen Ablaufes wie dem des Aufstiegs des industriellen Kapitalismus<br />

in England. Der Vorgang war nicht primär „Industrialisierung",<br />

son<strong>der</strong>n Akkumulation industriellen Kapitals, wobei die technische<br />

Neuerung als Instrument <strong>der</strong> Kapitalkonkurrenz <strong>der</strong> Kapitalisten<br />

untereinan<strong>der</strong> fungiert. — Weiter: „Was war die ,Heilige Familie'<br />

...? Vor allem eines — kein gutes Buchthema ... ein lustiger <strong>und</strong><br />

lehrreicher Text, aber ... kein ganzes Buch" (44). — Die „Deutsche<br />

Ideologie", dies für die Geschichtswissenschaft so wichtige, ja bahnbrechende<br />

Werk, erscheint bei Hirsch als „ein dickleibiger, nie ganz<br />

fertig gewordener Wälzer" (45). Neben <strong>der</strong> Überwindung <strong>der</strong> einstigen<br />

Lehrer soll das Buch für Marx <strong>und</strong> Engels die Funktion gehabt<br />

haben, „mehrere potentiell gefährliche Rivalen abzuwerten", was<br />

Hirsch mit bürgerlichem Sinn fürs Reale auch als notwendig anerkennt,<br />

„sollen Engels <strong>und</strong> Marx den ihnen nach Begabung, Bildung<br />

<strong>und</strong> Vitalität zukommenden Rang einnehmen" (46). Diese Kategorien<br />

des Gerangeis um bessere Plätze beim sozialen Aufstieg, damit das<br />

bessere Erbgut sich durchsetze, sind Kategorien, in denen herabgesunkenes<br />

bürgerliches Bewußtsein selbst Marxisten anerkennen<br />

kann. Die Anerkennung durch ein <strong>der</strong>artiges Bewußtsein vermag<br />

noch vernichten<strong>der</strong> zu sein als die Kritik; es ist heruntergekommener<br />

bürgerlicher Klassengeist, in dessen Augen Marx <strong>und</strong> Engels nicht<br />

des Kommunismus wegen die Gegner des Kommunismus bekämpften,<br />

son<strong>der</strong>n den Kommunismus beiläufig entwickelt haben als Waffe im<br />

Konkurrenzkampf gegen die Rivalen im Weg nach oben. — Das<br />

Kommunistische Manifest wird von Hirsch mit weiteren Kategorien<br />

totgelobt, die <strong>der</strong> bürgerlichen Mentalität <strong>und</strong> Weltanschauung ölig<br />

geläufig sind. Das Manifest sei „echte Kunst", „ein Gedanken- <strong>und</strong><br />

Wortkunstwerk" (50), <strong>der</strong> Kommunismus ein „Traum", <strong>der</strong> „an Erhabenheit<br />

<strong>und</strong> Attraktionskraft ... den Idealen <strong>der</strong> großen Religionen<br />

in nichts nachstand" (50). Der wissenschaftlich begründete Anspruch<br />

des Kommunismus, die hellwache Übersetzung <strong>und</strong> <strong>der</strong> realitätstüchtige<br />

Ansatz zur Verwirklichung all dessen zu sein, was an<br />

den großen Religionen die Form bloßer Träume, bloßer Blumen über<br />

den Ketten besaß <strong>und</strong> so als Opium des Volks wirkte, dieser An-

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