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Geschichte und Geschichtsschreibung der deutschen ...

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76 Bärbel Kunze<br />

schaftssystems schließen darf, so leuchtet nicht recht ein, inwiefern<br />

in weiten Kreisen <strong>der</strong> Sozialdemokratie das Bewußtsein von einer<br />

Notwendigkeit zu illegaler Wi<strong>der</strong>standstätigkeit bestanden haben<br />

soll, <strong>der</strong>en Gefahren auf <strong>der</strong> Hand lagen. Angesichts <strong>der</strong> die Partei in<br />

den letzten Jahren <strong>der</strong> Weimarer Republik kennzeichnenden autoritären<br />

Organisationsstruktur, in <strong>der</strong> politischer Eigeninitiative „von<br />

unten" wenig Raum blieb, liegt weiter die Vermutung nahe, daß die<br />

in den letzten Monaten des Bestehens <strong>der</strong> Partei praktizierte Politik<br />

<strong>der</strong> Parteiführung kaum för<strong>der</strong>nd auf die Bereitschaft zu illegaler<br />

Aktivität bei <strong>der</strong> Parteimitgliedschaft gewirkt haben kann. Keineswegs<br />

sollen die tatsächlich vorhandenen Ansätze zu illegaler Tätigkeit<br />

von Sozialdemokraten bestritten werden. Jedoch scheint die<br />

Behauptung von Matthias: „Wirklich bezeichnend für den ersten<br />

Abschnitt <strong>der</strong> Illegalität waren die vielen voneinan<strong>der</strong> unabhängigen<br />

Einzelgruppen, die wie Pilze aus <strong>der</strong> Erde schössen <strong>und</strong> <strong>der</strong>en Zahl<br />

in die Tausende ging 85 ", wenn man die oben angeführten Aspekte in<br />

die Betrachtung einbezieht, zumindest übertrieben zu sein, ein Eindruck,<br />

<strong>der</strong> auch durch die bisher zu diesem Problemkomplex vorliegenden<br />

Quellen bestätigt wird 86 . Einen tatsächlichen Beleg für<br />

seine Annahme o<strong>der</strong> einen Hinweis darauf, wie er zu seiner These<br />

gekommen ist, ist denn auch bei ihm nicht zu entdecken. Statt dessen<br />

findet sich ein Hinweis auf eine Stelle in dem Buch Günther Weisenborns<br />

„Der lautlose Aufstand". Daß die dort von Weisenborn getroffene<br />

Feststellung über „Tausende von illegalen Gruppen", die „wie<br />

Pilze aus dem Boden schössen", sich nicht auf den Wi<strong>der</strong>stand von<br />

Sozialdemokraten bezieht, wie Matthias den Leser durch den Zusammenhang,<br />

in den er diese Behauptung stellt, glauben macht, son<strong>der</strong>n<br />

die illegale Tätigkeit <strong>der</strong> Arbeiterschaft insgesamt meint 87 , macht<br />

deutlich, daß Matthias es dann mit seiner Wissenschaftlichkeit nicht<br />

genau nimmt, wenn seine Vorstellungen von <strong>der</strong> SPD-<strong>Geschichte</strong> von<br />

den vorliegenden Fakten nicht hinreichend bestätigt werden.<br />

Die zweite von Matthias vertretene These von <strong>der</strong> auch unter faschistischer<br />

Herrschaft aufrechterhaltenen „sozialdemokratischen Gesinnungsgemeinschaft"<br />

trifft insofern einen richtigen Sachverhalt, als<br />

sie genau dem Selbstverständnis <strong>der</strong> Sozialdemokraten in dieser Zeit<br />

von <strong>der</strong> Möglichkeit, die „sozialistische Idee" — was auch immer<br />

darunter verstanden wurde — auch im Faschismus durch Rückzug<br />

in die „innere Emigration" zu bewahren, entspricht. Beispielhaft sei<br />

ein Satz aus einer Rede zitiert, die Otto Wels auf <strong>der</strong> Reichskonferenz<br />

<strong>der</strong> SPD am 26. April 1933 hielt, in dem sich diese weit verbreitete<br />

Vorstellung wi<strong>der</strong>spiegelt:<br />

85 a.a.O., S. 191.<br />

86 Bei diesen Quellen, die über die Wi<strong>der</strong>standstätigkeit von Sozialdemokraten<br />

Aufschluß geben, handelt es sich neben Akten <strong>der</strong> Gestapo u.ä.<br />

unter an<strong>der</strong>em um eine erst vor einigen Jahren aufgef<strong>und</strong>ene, im Besitz<br />

des Parteiarchivs <strong>der</strong> SPD befindliche Sammlung von Berichten von Sozialdemokraten<br />

aus dem faschistischen Deutschland an die von <strong>der</strong> SPD-<br />

Emigration eingerichteten Grenzsekretariate.<br />

87 Günther Weisenborn, Der lautlose Aufstand, Hamburg (1953), S. 145.

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