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Geschichte und Geschichtsschreibung der deutschen ...

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58 Bärbel Kunze<br />

malen Funktionierens parlamentarischer Regierungsformen. Diese<br />

Politik, die ihre Fortsetzung fand in <strong>der</strong> erneuten Wahl Hindenburgs<br />

zum Reichspräsidenten mit Hilfe <strong>der</strong> SPD <strong>und</strong> in <strong>der</strong> kampflosen<br />

Aufgabe <strong>der</strong> Regierungsmacht in Preußen beim Papenschen Staatsstreich,<br />

mußte objektiv, da sie einer Selbstausschaltung eines Teils<br />

<strong>der</strong> Arbeiterbewegung aus dem politischen Kampf gleichkam, die<br />

Funktion <strong>der</strong> Stärkung <strong>der</strong> reaktionären kapitalistischen Kräfte<br />

haben <strong>und</strong> damit zum Sieg des Faschismus in Deutschland beitragen.<br />

Zur Organisationsstruktur <strong>der</strong> SPD<br />

Obgleich durch die Tolerierungspolitik die unmittelbaren materiellen<br />

Interessen <strong>der</strong> Parteimitglie<strong>der</strong> spürbar tangiert wurden, stieß<br />

die Parteiführung mit dieser Politik — mit <strong>der</strong> sie nach Matthias<br />

„verantwortungsbewußte Opferbereitschaft" einerseits <strong>und</strong> „passive<br />

Resignation" an<strong>der</strong>erseits an den Tag legte 14 — innerhalb <strong>der</strong> Partei<br />

auf keinen nennenswerten Wi<strong>der</strong>stand. Wenig erhellend ist die Erklärung,<br />

die Matthias dafür vorzubringen hat: „Die Einheit <strong>und</strong> Geschlossenheit<br />

<strong>der</strong> Partei wurde nicht nur nüchtern als Voraussetzung<br />

politischer Erfolge aufgefaßt, son<strong>der</strong>n bedeutete in erster Linie einen<br />

Gefühlswert, eine irreale Größe, die das Leben in den sozialdemokratischen<br />

Organisationen durchsäuerte <strong>und</strong> ihren Charakter weitgehend<br />

bestimmte 15 ."<br />

Die Ursachen fehlenden Wi<strong>der</strong>standes gegen die Integrationspolitik<br />

<strong>der</strong> Parteiführung von seiten <strong>der</strong> Mitgliedschaft sind dagegen angemessener<br />

zu bestimmen, wenn man nach den Bedingungen politischer<br />

Bewußtseinsbildung <strong>und</strong> politischen Verhaltens in <strong>der</strong> SPD<br />

fragt. So scheint die als Konsequenz eben dieser Politik <strong>der</strong> Parteiführung<br />

in weiten Kreisen <strong>der</strong> Mitgliedschaft sich ausbreitende Entpolitisierung<br />

wesentlich geför<strong>der</strong>t worden zu sein durch bestimmte<br />

Strukturmerkmale <strong>der</strong> Parteiorganisation:<br />

Im Jahre 1930 waren nach Schätzungen 70 % <strong>der</strong> Parteimitglie<strong>der</strong><br />

Arbeiter <strong>und</strong> Angestellte 16 . Die Partei war jedoch nicht nach dem<br />

Betriebszellenprinzip organisiert, das <strong>der</strong> sozialen Stellung <strong>der</strong> überwiegenden<br />

Mehrheit <strong>der</strong> Parteimitglie<strong>der</strong> entsprochen hätte, son<strong>der</strong>n<br />

nach Wohngebieten aufgebaut. Die mit einer <strong>der</strong>artigen Wohngebietsorganisation<br />

gegebene Gefahr <strong>der</strong> Privatisierung <strong>und</strong> Entpolitisierung<br />

<strong>der</strong> Parteimitglie<strong>der</strong> wurde weiter vergrößert durch<br />

eine starke Organisationszersplitterung 17 . So waren im allgemeinen<br />

Sozialdemokraten nicht nur Partei- <strong>und</strong> Gewerkschaftsmitglie<strong>der</strong>,<br />

14 Erich Matthias, Die Sozialdemokratische Partei Deutschlands, a.a.O.,<br />

S. 102.<br />

15 a.a.O., S. 120 f.<br />

16 Siegm<strong>und</strong> Neumann, Die Parteien <strong>der</strong> Weimarer Republik, Stuttgart<br />

1965, S. 33.<br />

17 Auf die Konsequenzen dieser Entwicklung verweist Fritz Bieligk in<br />

seinem Beitrag „Die Entwicklung <strong>der</strong> sozialdemokratischen Organisation<br />

in Deutschland", in: Die Organisation im Klassenkampf, a.a.O., 1931,<br />

S. 62—70.

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