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Geschichte und Geschichtsschreibung der deutschen ...

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140 Besprechungen<br />

lung prähistorischer Phasen zu geben. In <strong>der</strong> BRD sind solche Ansätze<br />

bislang noch nicht unternommen, ja nicht einmal rezipiert worden.<br />

Hans Grünberger (Frankfurt/M.)<br />

Bechtel, Heinrich: Wirtschafts- <strong>und</strong> Sozialgeschichte<br />

Deutschlands. Wirtschaftsstile <strong>und</strong> Lebensformen von <strong>der</strong><br />

Vorzeit bis zur Gegenwart. Verlag Georg D. W. Callwey, München<br />

1967 (576 S., 19,80 DM).<br />

In dieser umfassenden historischen Übersicht bis zur gegenwärtigen<br />

Sozial- <strong>und</strong> Wirtschaftspolitik verzichtet <strong>der</strong> Autor bewußt auf<br />

jeden evolutionstheoretischen Ansatz. Statt dessen stellt er das Verhalten<br />

<strong>der</strong> Wirtschaftssubjekte in den Mittelpunkt seiner Darstellung.<br />

Dem entspricht die weitgehende Vernachlässigung sozialer<br />

Herrschaftsverhältnisse gegenüber den dominierenden geistigen<br />

Kräften, ob es sich um die wirtschaftliche Freiheit des „fleißigen<br />

o<strong>der</strong> sparsamen Bauern" in <strong>der</strong> Phase uneingeschränkter Gr<strong>und</strong>herrschaft<br />

handelt o<strong>der</strong> um die wachsende „Unternehmungslust <strong>und</strong><br />

Tatkraft" des nach „eigener Willensbetätigung" verlangenden Bürgers<br />

im ausgehenden Mittelalter. Verständlich wird in dieser Perspektive,<br />

daß erst rationalistisches Denken <strong>und</strong> die geistige Umwälzung<br />

im 16. Jahrh<strong>und</strong>ert wie die technischen Erfindungen einer „jungen<br />

Geniegeneration" die frühe Industrialisierung einleiten, <strong>der</strong>en<br />

kapitalistische Organisation einfach unterschlagen wird.<br />

Eine <strong>der</strong>artig zurechtgestutzte Geschichtsbetrachtung muß einerseits<br />

die mittelalterlichen Feudalverhältnisse gegenüber dem anhebenden<br />

„Erwerbsgeist" idyllisch einfärben. An<strong>der</strong>erseits darf die<br />

„soziale Frage" nicht aus <strong>der</strong> ursprünglichen Kapitalakkumulation<br />

entspringen, son<strong>der</strong>n wird als ein auf sozialreformerischem Wege zu<br />

beseitigen<strong>der</strong> Mißstand gedeutet. So kann <strong>der</strong> „unnachgiebigen<br />

Heilslehre" des Marxismus, mit Schmoller als „unpraktisch-sozialistisches"<br />

Gesellschaftssystem abgetan, die tätige Hilfsbereitschaft<br />

konservativer <strong>und</strong> kirchlicher Kreise entgegengestellt werden. Denn<br />

die Ballung größeren Reichtums in den Händen weniger läßt sich<br />

nach Bechtel auf außergewöhnliche Leistungen <strong>und</strong> den „wagemutigen<br />

Einsatz wirtschaftlicher Mittel" zurückführen.<br />

Mit <strong>der</strong> Apologie des dynamischen Unternehmertyps Schumpeters<br />

verträgt sich nicht das gesellschaftliche Phänomen des Imperialismus.<br />

Folgerichtig wird <strong>der</strong> Erste Weltkrieg aus dem bloßen Versagen <strong>der</strong><br />

politischen Führung erklärt, obwohl gegenteilige Forschungsergebnisse<br />

vorliegen. Schlid<strong>der</strong>te man nur in den Krieg hinein, dann kann<br />

untergründig gegenüber wilden Streiks <strong>und</strong> „zersetzen<strong>der</strong> Stimmungsmache"<br />

<strong>der</strong> Radikalen die vaterländische Verteidigung hervorgehoben<br />

werden. Wenn auch die Weltwirtschaftskrise in dem Zurückbleiben<br />

<strong>der</strong> Massenkaufkraft <strong>und</strong> mit Hitlers Machtergreifung<br />

die Vorherrschaft von Stahlindustrie <strong>und</strong> chemischer Industrie gesehen<br />

wird, so begreift Bechtel noch nicht einmal im Ansatz die<br />

Funktionsweise des Monopolkapitalismus.<br />

Paul Oehlke (Marburg/Lahn)

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