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Geschichte und Geschichtsschreibung der deutschen ...

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70 Bärbel Kunze<br />

<strong>der</strong> Partei im Juni 1933 sich aller über Wahlpropaganda hinausgehenden<br />

Aktionen gegen das sich etablierende faschistische Herrschaftssystem<br />

enthielt, als die psychologisierenden Betrachtungen<br />

über das Versagen einzelner Führer, die Matthias in diesem Zusammenhang<br />

anstellt o<strong>der</strong> als <strong>der</strong> Verweis auf in <strong>der</strong> Partei allgemein<br />

wirkende <strong>und</strong> das politische Handeln bestimmende „erstarrte Denkstrukturen"<br />

58 . Derartig vorgeblich kritische Betrachtungen können<br />

nicht darüber hinwegtäuschen, daß es Matthias gerade bei <strong>der</strong> Darstellung<br />

<strong>der</strong> Politik <strong>der</strong> SPD in <strong>der</strong> Zeit zwischen Januar <strong>und</strong> Juni<br />

1933 in erster Linie darum geht, das Verhalten <strong>der</strong> sozialdemokratischen<br />

Parteiführung, vor allem ihre Konzessionsbereitschaft gegenüber<br />

dem faschistischen Staat im vermeintlichen Interesse <strong>der</strong> Erhaltung<br />

<strong>der</strong> sozialdemokratischen Organisationen, im Sinne einer Rechtfertigung<br />

zu beschreiben.<br />

Als Beispiele seien hier einige politische Aktionen <strong>der</strong> SPD-Führung<br />

<strong>und</strong> ihre Beschreibung <strong>und</strong> Interpretation bei Matthias angeführt,<br />

die diese apologetische Absicht augenfällig werden lassen:<br />

Gewiß erfor<strong>der</strong>te die Ablehnung des Hitlerschen Ermächtigungsgesetzes<br />

vom 23. März 1933 von Seiten <strong>der</strong> sozialdemokratischen<br />

Fraktion angesichts des faschistischen Terrors, <strong>der</strong> zwar zu dieser<br />

Zeit in erster Linie die im Reichstag nicht mehr zugelassenen Kommunisten<br />

traf, dem jedoch auch bereits einzelne sozialdemokratische<br />

Funktionäre zum Opfer gefallen waren, persönlichen Mut <strong>der</strong> Beteiligten.<br />

Die Interpretation von Matthias, <strong>der</strong> davon spricht, daß „es<br />

... immer ein Ruhmesblatt in <strong>der</strong> <strong>Geschichte</strong> <strong>der</strong> <strong>deutschen</strong> Sozialdemokratie<br />

bleiben (wird), daß sie am 23. März 1933 als einzige Partei<br />

gegen Hitlers Ermächtigungsgesetz zu stimmen wagte <strong>und</strong> sich allen<br />

Drohungen <strong>der</strong> neuen Machthaber zum Trotz uneingeschränkt zu<br />

den Gr<strong>und</strong>sätzen <strong>der</strong> versunkenen parlamentarischen Demokratie<br />

<strong>und</strong> <strong>der</strong> Verfassung von Weimar bekannte 50 ", ist jedoch aus zweierlei<br />

Gründen revisionsbedürftig. Einmal ist es ungerechtfertigt, daß<br />

Matthias die Sozialdemokratie als die einzige Partei feiert, die gegen<br />

das Ermächtigungsgesetz Hitlers opponierte: er unterschlägt nämlich<br />

in diesem Zusammenhang die an an<strong>der</strong>er Stelle selbst von ihm eingestandene<br />

Tatsache <strong>der</strong> bereits erfolgten Illegalisierung <strong>der</strong> KPD,<br />

die dazu führte, daß die kommunistische Fraktion zu dieser Reichstagssitzung<br />

überhaupt nicht mehr erscheinen konnte — eben weil die<br />

Nationalsozialisten offenbar die Opposition <strong>der</strong> Kommunisten fürchten<br />

mußten. Diese Unterlassung kann nur so verstanden werden, daß<br />

Matthias versucht, <strong>der</strong> Sozialdemokratischen Partei auf Kosten <strong>der</strong><br />

KPD politisches Prestige als „einziger" Wi<strong>der</strong>standspartei zu verschaffen.<br />

Zweitens sind angesichts des Wortlauts <strong>der</strong> von Matthias<br />

als „moralische Leistung von unvergänglichem Wert" <strong>und</strong> als „würdige<br />

Demonstration" 60 bezeichneten Rede des Parteivorsitzenden<br />

58 Erich Matthias, Die Sozialdemokratische Partei Deutschlands, a.a.O.,<br />

S. 196.<br />

59 a.a.O., S. 166.<br />

60 a.a.O., S. 167.

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