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Geschichte und Geschichtsschreibung der deutschen ...

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<strong>Geschichte</strong> 151<br />

vierten nur die sozialen <strong>und</strong> politischen Antagonismen. Immerhin<br />

hatten die herrschenden Gruppen eine Atempause zur Neuformierung<br />

<strong>und</strong> Mo<strong>der</strong>nisierung des Regimes gewonnen; dazu trägt Wehler<br />

nur allgemeine Sätze bei. Zu berücksichtigen wäre, daß man mit <strong>der</strong><br />

quantitativen <strong>und</strong> qualitativen Bürokratisierung (Puttkamersche Beamtenpolitik)<br />

ein rigi<strong>der</strong>es Durchsetzungsvermögen mit eingeschränkter<br />

Flexibilität <strong>und</strong> somit geringerer Stabilität <strong>der</strong> nichtmilitärischen<br />

Herrschaftsinstrumente erkaufte. Staatsstreich <strong>und</strong> Belagerungszustand<br />

nach innen <strong>und</strong>/o<strong>der</strong> Krieg nach außen wurden als<br />

letzte Alternativen zur Rettung <strong>der</strong> Macht à la longue wahrscheinlicher.<br />

Hier ist <strong>der</strong> Anschluß an das Kontinuitätsproblem in <strong>der</strong><br />

<strong>deutschen</strong> <strong>Geschichte</strong> gewonnen, das neuerdings mit Blickpunkt auf<br />

die funktionale Parallelität von autoritär-bürokratischer, militärplebiszitärer<br />

<strong>und</strong> faschistischer Herrschaftssicherung bearbeitet wird<br />

(z. B. M. Stürmer für den Wilhelminismus). Für die Verschiebungen<br />

in <strong>der</strong> von Wehler bearbeiteten Periode wären noch unerläßlich Analysen<br />

<strong>der</strong> inneren Verwaltungen <strong>und</strong> beson<strong>der</strong>s die <strong>der</strong> civil-military<br />

relations.<br />

Überaus hin<strong>der</strong>lich ist, daß <strong>der</strong> Verfasser das Problem <strong>der</strong> Umsetzung<br />

von situationellen <strong>und</strong> latenten Bedingungen in „politisches"<br />

Handeln eskapistisch umgeht: Bismarck wird apodiktisch eine „strategische<br />

Machtstellung" (180) zugeschrieben (weiterführend die theoretischen<br />

Bemerkungen von P. Bollhagen: Soziologie <strong>und</strong> <strong>Geschichte</strong>.<br />

Berlin/DDR 1966). Unkritisch eingeführt bleibt schließlich die Annahme<br />

einer hochgradigen psychischen Labilität <strong>der</strong> Führungs- <strong>und</strong><br />

Herrschaftsschichten, die das „Kartell <strong>der</strong> Angst" (438) in <strong>der</strong> Depression<br />

erst möglich werden ließ. Dieses Problem sollte in einer international<br />

vergleichenden Untersuchung des Sozialimperialismus, die<br />

kritisch auf Wehler aufbauen könnte, nicht übergangen werden.<br />

Vornehmlich Entstehung <strong>und</strong> Sicherung <strong>der</strong> Angst wären zu klären.<br />

Inwieweit korrespondierte sie realen Nie<strong>der</strong>gangsphänomenen? Welche<br />

Bedingungen verstärkten die paralysierenden Sogwirkungen des<br />

„Kartells" auf die abhängigen Klassen <strong>und</strong> Statusgruppen?<br />

Alf Lüdtke (Tübingen)<br />

Eisner, Kurt: Die halbe Macht den Räten. Ausgewählte<br />

Aufsätze <strong>und</strong> Reden, eingeleitet <strong>und</strong> herausgegeben von Renate<br />

<strong>und</strong> Gerhard Schmölze. Verlag Jakob Hegner, Köln 1969 (292 S.,<br />

Ln., 14,80 DM).<br />

Fünfzig Jahre nach seiner Ermordung zieht Kurt Eisner publizistische<br />

Aufmerksamkeit auf sich. Presse, R<strong>und</strong>funk <strong>und</strong> Fernsehen<br />

sehen in ihm ein ergiebiges Objekt. Man hat hierzulande viel Sympathie<br />

für Revolutionäre <strong>und</strong> Revolution, wenn sie nur scheitern.<br />

Das rechtfertigt Resignation. Und was bleibt jenen Linken, die kein<br />

Stehvermögen in <strong>der</strong> Erfolglosigkeit haben, an<strong>der</strong>es übrig, als <strong>der</strong><br />

Weg vom bloß affektiven Protest über die ungekonnte Aggression in<br />

die Nie<strong>der</strong>lage, in die Resignation?

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