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Geschichte und Geschichtsschreibung der deutschen ...

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Privatmann <strong>und</strong>. Ursprungsmythos 97<br />

skizzieren, wie „<strong>der</strong> Jude Marx" (195) von ihm hergestellt wird, sodann,<br />

was <strong>und</strong> wie alles auf das Judentum zurückgeführt wird.<br />

Marx als Juden zu konstruieren bereitet Schwierigkeiten, da er<br />

zwar zahlreiche jüdische Theologen unter seinen Vorfahren hat, sein<br />

Vater aber „kein richtiger Jude" war, vielmehr „früh im Geiste<br />

<strong>der</strong> Aufklärung eine Ersatz-Religion..." (36) gef<strong>und</strong>en hatte <strong>und</strong><br />

überdies mit seiner Familie zum Protestantismus übergetreten war.<br />

Künzli weiß auch den Gr<strong>und</strong>: er war nämlich „verflacht", <strong>und</strong> es<br />

fehlte ihm u. a. „die Tiefe des religiösen Empfindens", kurz, „in ihm<br />

war <strong>der</strong> Traditionsbruch schon anlagemäßig bedingt. Auch im Weiterführen<br />

einer Familientradition sind offenbar nur wenige auserwählt.<br />

Der Strom einer Familientradition sucht sich gelegentlich ein<br />

unterirdisches Bett, unterfließt eine Generation, um dann in <strong>der</strong><br />

folgenden mit gesteigerter Wucht wie<strong>der</strong> ans Tageslicht zu schießen"<br />

(35). — „Und da erschien nun dieser Karl Marx, in dem <strong>der</strong> von<br />

Jahrh<strong>und</strong>erten gespeiste Strom des Ahnenerbes, ... kraftvoll wie<strong>der</strong><br />

ans Tageslicht emporschoß. Alles an Karl Marx verriet es: Er war<br />

darauf angelegt, ein Rabbi zu werden ..." (76). „Durch die Konversion<br />

des Vaters <strong>und</strong> die Taufe war Karl Marx jedoch von <strong>der</strong> transzendenten<br />

Potenz, die seinen Son<strong>der</strong>auftrag religiös legitimierte, brutal<br />

abgeschnitten worden" (77). Mit diesem Roman ist die Brücke zwischen<br />

dem Ahnenerbe <strong>und</strong> Karl Marx geschlagen <strong>und</strong> die Theorie<br />

fertig: Karl Marx war durch <strong>und</strong> durch Jude, <strong>der</strong> sein Judentum<br />

verdrängte <strong>und</strong> ihm gerade dadurch unrettbar verfiel <strong>und</strong> mit dem<br />

dämonischen Haß, den ihm die Wie<strong>der</strong>kehr des verdrängten Judentums<br />

eingab, das Judentum — soll heißen: sich selbst als Jude —<br />

haßte. Zum Beweis deutet Künzli auf die langjährige Furunkulose:<br />

„Karl Marx wäre dann so etwas wie ein Stigmatiker des jüdischen<br />

Selbsthasses gewesen" (463 f.). — Alles Weitere ist nur noch eine<br />

Frage <strong>der</strong> Ausführung; das gesamte Werk <strong>und</strong> Verhalten von Marx<br />

werden nun ausgesprochen in Begriffen <strong>und</strong> Mythen des jüdischen<br />

Ursprungs. Marx ist <strong>und</strong> bleibt „Prophet Israels" (816), <strong>der</strong> Kommunismus,<br />

mit einem Ausdruck des Jesuitenpaters Fessard, „ein ungläubiges<br />

Judentum" (411) 9 . „So war Marx ein Moses, <strong>der</strong> unbewußt<br />

um so mehr von Jahve ,besessen' war, je mehr er ihn bewußt verleugnete"<br />

(410). Dies war auch <strong>der</strong> letzte Gr<strong>und</strong> für Marxens Religionskritik.<br />

Marx nämlich „war sein eigener einsamer Gott <strong>und</strong> Prophet<br />

<strong>und</strong> Gesetzgeber. Es durfte keine Religion sein neben <strong>der</strong> seinigen"<br />

(538). Die Eifersucht eines, <strong>der</strong> sich unbewußt für Gott hielt, motivierte<br />

ihn nach Künzli auch zur Kritik am Gelde. Und zwar schließt<br />

9 Künzli erwähnt ein Pamphlet von 1850, in dem Marx offen <strong>und</strong> <strong>der</strong>b<br />

antisemitisch als Jude angegriffen wird. „Die <strong>deutschen</strong> Gegner von Marx<br />

<strong>und</strong> Engels", kommentiert Künzli, „hatten ihre Freude an diesem Kloakenprodukt,<br />

das zum ersten Male öffentlich aussprach, was sie sich ja untereinan<strong>der</strong><br />

schon immer zugeflüstert hatten — daß letztlich <strong>der</strong> Jude in<br />

Marx für dessen politische <strong>und</strong> charakterliche Dänomie verantwortlich zu<br />

machen sei" (198). Es ist nicht recht einzusehen, wodurch sich, außer durch<br />

das philosemitische Parfüm, die Botschaft Künzlis eigentlich von <strong>der</strong> jenes<br />

„Kloakenprodukts" unterscheiden soll.

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