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Geschichte und Geschichtsschreibung der deutschen ...

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Philosophie 125<br />

Dabei ist über das allgemeine Strukturgesetz nur im bestimmten<br />

Arrangement, selten in einem in <strong>der</strong> Natur zufällig vorgef<strong>und</strong>enen,<br />

meistens in dem im Experiment bewußt produzierten, etwas auszumachen.<br />

Weil diese Dialektik von Allgemeinem <strong>und</strong> Beson<strong>der</strong>em<br />

nicht vorgegeben ist, son<strong>der</strong>n durch das Subjekt, durch systematische<br />

Beobachtung <strong>und</strong> Experiment, als eine objektive sich verwirklicht,<br />

entsteht <strong>der</strong> Schein, das Subjekt sei gleichermaßen konstitutiv für<br />

die Strukturgesetze wie für die materiellen Realisationen, in denen<br />

jene erst zur Erscheinung gebracht werden. „Man erkennt hier, daß<br />

dieses dann praktisch nur dort zutage tritt, wo das Arrangement anwesend<br />

ist ... Wer Wert darauf legt zu betonen, daß dieses Naturgesetz<br />

aus <strong>der</strong> Natur herausgeschnitten wird, also in dieser vorhanden<br />

sein müsse, dem können wir nur mit einem Beispiel erwi<strong>der</strong>n:<br />

es ist genauso in <strong>der</strong> Natur enthalten, wie in einem Marmorblock die<br />

Statue .enthalten' ist, die <strong>der</strong> Bildhauer daraus herausmeißeln will<br />

<strong>und</strong> wird" (171). Wo <strong>der</strong> Zusammenhang zwischen mathematischem<br />

Modell <strong>und</strong> dessen Realisierung zwar noch eindeutig, aber nicht mehr<br />

anschaulich ist, wird willkürlich zugunsten <strong>der</strong> Anschaulichkeit entschieden,<br />

um gegen Quantenmechanik <strong>und</strong> Relativitätstheorie polemisieren<br />

zu können: „Nach unseren Ergebnissen kann methodisch<br />

richtig nur so vorgegangen werden, daß die Geltung <strong>der</strong> euklidischen<br />

Geometrie stets ausnahmslos willensmäßig festgehalten wird" (140).<br />

Denn nur diese war aus <strong>der</strong> Anschauung „zwangsweise <strong>und</strong> instinktiv"<br />

(137) zu erhalten. Solch instinktiver Umgang mit Postulaten ermöglicht<br />

es, unbequeme Entwicklungen aus <strong>der</strong> Wissenschaft auszuschließen,<br />

wie er an<strong>der</strong>erseits je<strong>der</strong> Praxis, wie sehr diese auch die<br />

Menschen zurichten mag, den Schein <strong>der</strong> Wissenschaftlichkeit verleiht,<br />

wenn sie nur auf Erfolge verweisen kann. — Doch nicht nur in,<br />

ihrem affirmativen Verhältnis zu je<strong>der</strong> noch so grauenhaften Realität<br />

gibt sich diese Wissenschaftstheorie zu erkennen, son<strong>der</strong>n auch in den<br />

logischen Schwierigkeiten, denen Dingler nur um den Preis <strong>der</strong><br />

Dezision für die unreflektierte Praxis entgeht: „Die ideale Geometrie<br />

definiert nun die Idee des deformationsfreien Körpers. Er ist,<br />

kurz gesagt, <strong>der</strong>jenige, <strong>der</strong> den Sätzen <strong>der</strong> idealen Geometrie gehorcht"<br />

(156). Diese ideale Geometrie soll ihrerseits aus <strong>der</strong> Definition:<br />

„Etwas Unterschiedenes überhaupt, betrachtet hinsichtlich seiner<br />

Grenze, konstant" (131) entwickelt werden, setzt also die Definition<br />

des deformationsfreien Körpers schon voraus. Der Operationalismus<br />

versucht diesem Zirkel durch ein hysteron proteron zu entkommen,<br />

indem er die apriorische Setzung abhängig macht von <strong>der</strong>en<br />

empirischer Realisierung, die Idee des deformationsfreien Körpers<br />

von <strong>der</strong> Herstellung immer weniger deformierbarer Körper. Nur so<br />

auch kann Dingler seine Polemik gegen die ihm verhaßte nichteuklidische<br />

Gemoetrie verteidigen. Was bei Kant aus <strong>der</strong> Existenz <strong>der</strong><br />

exakten Wissenschaften als Bedingung von <strong>der</strong>en Möglichkeit erschlossen<br />

wurde, die kategoriale Verfassung <strong>der</strong> gegenständlichen<br />

Welt, soll bei Dingler erst aus den Fertigkeiten <strong>der</strong> Feinmechaniker<br />

folgen ohne Rücksicht darauf, daß die Bedingung <strong>der</strong> Möglichkeit<br />

<strong>der</strong>en praktischer Realisierung vorhergeht.

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