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Geschichte und Geschichtsschreibung der deutschen ...

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142 Besprechungen<br />

liehe" Methode verdient Beachtung. Kosellecks Werk bewegt sich<br />

nicht „entlang einem Leitfaden linear gedachter Zeit", son<strong>der</strong>n<br />

orientiert sich an „verschiedenen Schichten geschichtlicher Zeit" (14).<br />

Koselleck bezeichnet sein Verfahren ausdrücklich als sozialgeschichtlich<br />

(17) <strong>und</strong> vergißt nicht darauf hinzuweisen, daß er sich <strong>der</strong> Tradition<br />

<strong>der</strong> Acta Borussica <strong>und</strong> <strong>der</strong> Schriften Otto Hintzes verpflichtet<br />

fühle (16). Unverkennbar verdankt das Buch aber auch Tocquevilles<br />

L'Ancien Régime et la Révolution wesentliche Anregungen. Springt<br />

<strong>der</strong> nahezu ausnahmslose Verzicht auf Sek<strong>und</strong>ärliteratur <strong>und</strong> die<br />

Auseinan<strong>der</strong>setzung mit ihr in die Augen, so wurde in überaus<br />

reichem Maß auf zeitgenössische Quellen in je<strong>der</strong> Form zurückgegriffen,<br />

vor allem auf Bestände <strong>der</strong> ehemals preußischen Provinzarchive<br />

<strong>und</strong> des Geheimen Staatsarchivs.<br />

Als Ausgangspunkt wählt Koselleck das Landrecht, das er auf seine<br />

Wirkungen <strong>und</strong> Interdependenzen hin überprüft. Zu Recht stellt er<br />

fest, daß dem Landrecht <strong>der</strong> „rechtliche Kontrast inhärent" war<br />

(143). Es enthielt durchaus in die Zukunft weisende Möglichkeiten,<br />

war aber zugleich belastet mit „unendlich mannigfaltigen, aus <strong>der</strong><br />

Vergangenheit überkommenen Restbeständen", die in einer Unzahl<br />

kasuistischer Regelungen retardierend wirkten <strong>und</strong> die Umgestaltung<br />

<strong>der</strong> ständischen Gesellschaft verhin<strong>der</strong>ten. Die Reform erst ließ diese<br />

Spannungen völlig zur Entfaltung kommen. Deren Scheitern überstand<br />

das Beamtentum, wie es auch später die Revolution fast unbeschadet<br />

hinter sich ließ. Es begann im Vormärz zunehmend die<br />

Mittlerrolle zwischen Staat <strong>und</strong> Gesellschaft einzunehmen <strong>und</strong> die<br />

Repräsentation zu ersetzen. Im zweiten Abschnitt geht Koselleck den<br />

Auswirkungen <strong>der</strong> Verwaltungs- <strong>und</strong> Justizreform auf die Verfassungsfrage<br />

nach. Die Verwaltungsreform, die den Boden für eine<br />

Lösung des Verfassungsproblems bereiten sollte, erwies sich als<br />

dauern<strong>der</strong> „Verfassungsersatz" (332). Die Stagnation <strong>der</strong> Reform<br />

zementierte die partikularen Verhältnisse. Als „Verfassungskern"<br />

blieb die Behördenorganisation übrig.<br />

Eine nennenswerte ideologiekritische Analyse sucht man in diesem<br />

Buch vergeblich. Es bleibt bürgerlicher Historiographie verhaftet.<br />

Fragen nach den sozio-ökonomischen Implikationen für das Scheitern<br />

<strong>der</strong> Reform hat Koselleck aus seinem hermeneutischen Instrumentarium<br />

von vornherein eliminiert. So erreichen seine Analysen nirgends<br />

eine Dimension <strong>der</strong> Kritik <strong>und</strong> Erhellung, die über liberale<br />

„kritische" <strong>Geschichtsschreibung</strong> hinausgelangt.<br />

Heiner Christ (Gießen)<br />

Conze, Werner (Hrsg.): Staat <strong>und</strong> Gesellschaft im <strong>deutschen</strong><br />

Vormärz 1815 —184 8. Industrielle Welt, Schriftenreihe<br />

des Arbeitskreises für mo<strong>der</strong>ne Sozialgeschichte Band 1.<br />

Ernst Klett Verlag, Stuttgart 1962 (272 S., kart., 24,60 DM).<br />

In diesem Sammelband wird <strong>der</strong> Versuch unternommen, sozialgeschichtliche<br />

Fragestellungen auf die vormärzliche Zeit anzuwenden.<br />

Die Beiträge von O. Brunner, R. Koselleck, W. Zorn <strong>und</strong>

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