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Geschichte und Geschichtsschreibung der deutschen ...

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Erich Matthias' Apologie <strong>der</strong> SPD-Entwicklung 59<br />

son<strong>der</strong>n sie gehörten gleichzeitig noch den verschiedensten sozialdemokratischen<br />

Nebenorganisationen an. Der aktive Teil <strong>der</strong> Parteimitgliedschaft,<br />

d. h. vor allem <strong>der</strong> untere Funktionärskörper, war, da<br />

die Aufrechterhaltung <strong>der</strong> außerordentlich verschiedenartigen Organisationen<br />

umfangreiche Verwaltungsarbeit erfor<strong>der</strong>te, weitgehend<br />

absorbiert von rein organisatorischer Tätigkeit, neben <strong>der</strong> für<br />

politische Bildungsarbeit <strong>und</strong> für Anleitung zu politischem Handeln<br />

wenig Raum blieb. „Sozialistische Gesinnung", d. h. abstrakter<br />

Glaube an eine zukünftige sozialistische Gesellschaft jenseits aller<br />

politischen Realität, wie sie parteioffiziell um so nachhaltiger beschworen<br />

wurde, je weiter sich die politische Praxis <strong>der</strong> Partei von<br />

diesem Ziel entfernte, konnte bei <strong>der</strong> Parteimitgliedschaft um so<br />

leichter an die Stelle tatsächlicher Manifestation sozialistischen Bewußtseins<br />

durch politische Aktivität treten, als sich das Parteileben<br />

in dem Maße, in dem die SPD selbst aufgehört hatte, Arbeiterinteressen<br />

zu vertreten, in diese meist unpolitischen Nebenorganisationen<br />

verlagerte 18 .<br />

Der Entwicklung politischer Alternativen innerhalb <strong>der</strong> Partei, die<br />

verän<strong>der</strong>nd im Sinne tatsächlicher Klassenpolitik hätte wirken können,<br />

stand jedoch vor allem die organisatorische Stärke <strong>der</strong> Parteiführung<br />

entgegen. Diese Stärke beruhte auf einer Zentralisierung<br />

<strong>der</strong> Entscheidungsbefugnisse beim Parteivorstand <strong>und</strong> <strong>der</strong> Reichstagsfraktion,<br />

<strong>der</strong>en Tagespolitik keiner wirksamen Kontrolle durch<br />

unabhängige Instanzen unterlag, <strong>und</strong> einer damit Hand in Hand<br />

gehenden Reduktion <strong>der</strong> Funktion von Parteitagen von Orten politischer<br />

Entscheidungen zu Akklamationsstätten für die Parteiführung;<br />

auf einer Konzentration <strong>der</strong> finanziellen Macht <strong>der</strong> Parteiführung,<br />

die die Abhängigkeit des besoldeten Funktionärskörpers nach sich<br />

zog; <strong>und</strong> auf einem Informations- <strong>und</strong> Meinungsbildungsmonopol als<br />

Folge <strong>der</strong> weitgehenden Zentralisierung <strong>der</strong> Parteipresse, die eine<br />

wirksame Kontrolle nicht nur des Zentralorgans, son<strong>der</strong>n auch <strong>der</strong><br />

Provinzpresse ermöglichte 19 . Die Bildung oppositioneller Gruppierungen,<br />

denen es hätte gelingen können, alternative politische Vorstellungen<br />

weiten Kreisen <strong>der</strong> Partei zugänglich zu machen, <strong>und</strong><br />

<strong>der</strong>en Politik organisatorischen Nie<strong>der</strong>schlag hätte finden können,<br />

war so von vornherein auf Gr<strong>und</strong> dieser organisatorischen Stärke <strong>der</strong><br />

Parteiführung weitgehend erschwert. Zudem mußte die autoritäre<br />

Praxis <strong>der</strong> Parteiführung gegenüber opponierenden Parteimitglie<strong>der</strong>n,<br />

<strong>der</strong>en Mittel von Diffamierungskampagnen bis zu Partei-<br />

18 Fritz Bieligk, a.a.O.<br />

19 Siehe dazu Fritz Bieligk, a.a.O., S. 70 ff. Wenn Matthias im Zusammenhang<br />

des Verhältnisses von Parteiführung <strong>und</strong> Parteimitgliedschaft<br />

von „Führung <strong>und</strong> Gefolgschaft" <strong>und</strong> von „Führern <strong>und</strong> Geführten"<br />

sprich/t — (Matthias, Die Sozialdemokratische Partei Deutschlands, a.a.O.,<br />

S. 147), dann trifft er im Gr<strong>und</strong>e genau diese autoritäre Parteistruktur, wie<br />

sie für die SPD in dieser Zeit kennzeichnend war. Allerdings zeigt die<br />

Tatsache, daß Matthias diese Begriffe tinkritisch gebraucht, daß für ihn<br />

selbst ein <strong>der</strong>art gekennzeichnetes Verhältnis unproblematisch <strong>und</strong> selbst -<br />

verständlich ist.

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