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Geschichte und Geschichtsschreibung der deutschen ...

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Soziologie 131<br />

Niklas Luhmann, <strong>der</strong> im vorliegenden Sammelband eine Anzahl<br />

meist schon gedruckter Aufsätze zur Begründung soziologischer Wissenschaft<br />

vorlegt, muß als einer <strong>der</strong> bedeutendsten Theoretiker <strong>der</strong><br />

bürgerlichen Soziologie <strong>der</strong> Gegenwart bezeichnet <strong>und</strong> gewürdigt<br />

werden. Während an<strong>der</strong>e Vertreter dieser Disziplin zum Beispiel das<br />

gegenstandslose — weil von keiner Reflexion auf den Gegenstandsbereich<br />

<strong>der</strong> Gesellschaftswissenschaften getragene — Scheingefecht<br />

zwischen „positivistischer" <strong>und</strong> „dialektischer" Theorie austrugen,<br />

konzentrierte sich Luhmann in <strong>der</strong> Ausarbeitung einer funktionalistischen<br />

Systemtheorie — wenn auch in höchst abstrakten Denkfiguren<br />

— immerhin auf den Nervus rerum gegenwärtiger Gesellschaftsbetrachtung:<br />

auf die problematischen Funktionsbedingungen <strong>und</strong><br />

Entwicklungschancen <strong>der</strong> — uneingestandenerweise: kapitalistischen<br />

— Gesellschaft als Gesamtsystem. Dabei verknüpft sich ein wissenschaftlicher<br />

Fortschritt innerhalb <strong>der</strong> bürgerlich-soziologischen Theorie<br />

nach ihrem gegenwärtigen Entwicklungsstand mit einer verfeinerten<br />

Technik <strong>der</strong> Apologie des bürgerlichen status quo gesellschaftlicher<br />

Evolution. Als wissenschaftliche Errungenschaft im Rahmen<br />

<strong>der</strong> nicht-marxistischen Soziologie ist Luhmanns Wendung gegen die<br />

„Tendenz" zu werten, „Gesellschaftstheorie für methodisch unmöglich<br />

<strong>und</strong> damit für unwissenschaftlich zu erklären, da auf ihrer Ebene<br />

we<strong>der</strong> empirischer Wirklichkeitsbezug noch logische Konsistenz des<br />

Begriffsgebrauchs gewährleistet werden können"; gegen die Leugnung<br />

des „Systemcharakters <strong>der</strong> Gesellschaft, weil die Gesamtheit<br />

sozialer Zusammenhänge unter diesem Begriff nicht adäquat gedacht<br />

werden könne" (145). Verfeinerte Apologetik <strong>der</strong> bürgerlichen Verhältnisse<br />

aber drückt sich darin aus, daß Luhmann aus dem Unvermögen<br />

aller bürgerlichen Soziologie, ihren Gegenstand in zugleich<br />

empirisch gehaltvollen <strong>und</strong> theoretisch wi<strong>der</strong>spruchsfreien Gr<strong>und</strong>annahmen<br />

zu charakterisieren, die Konsequenz zieht, soziologische<br />

Aussagen nicht länger dem Erfor<strong>der</strong>nis zu unterwerfen, empirische<br />

Regelmäßigkeiten als notwendige, theoretische Zusammenhänge als<br />

stimmige auszudrücken; darin, daß er Soziologie statt dessen auf die<br />

„Rezeption vorgef<strong>und</strong>ener Strukturentscheidungen" <strong>und</strong> die „Information<br />

über Reduktion von Komplexität" orientiert (260 f.), was<br />

nichts an<strong>der</strong>es als den wissenschaftlichen Nachvollzug <strong>der</strong> durchs<br />

Gesamtsystem erzwungenen Beschränkung <strong>der</strong> Aktionsspielräume<br />

seiner Teile bedeutet. Auf <strong>der</strong> Ebene des Inhalts <strong>der</strong> funktionalistischen<br />

Systemtheorie Luhmanns nimmt die wissenschaftliche Sorge<br />

um das vorgegebene Gesellschaftssystem die Gestalt einer Konzeption<br />

an, die Einheiten, Gr<strong>und</strong>verhältnis <strong>und</strong> Erhaltungsbedingungen<br />

solcher Systeme im Dunkeln läßt <strong>und</strong> dafür ihre Auseinan<strong>der</strong>setzung<br />

mit bedrohlichen Umwelten <strong>und</strong> die Sicherung ihres inneren Zusammenhalts<br />

zu Leitproblemen <strong>der</strong> — damit als funktionalistisch ausgewiesenen<br />

— Analyse erhebt (vgl. bes. 9 ff., 31 ff., 133 ff.). Die Abstraktion<br />

vom Zusammenwirken von lebendiger <strong>und</strong> vergegenständlichter<br />

Arbeit als den Elementen, von den Aneignungsweisen als den<br />

konstitutiven Verhältnissen <strong>und</strong> den Austauschprozessen mit den<br />

materiellen <strong>und</strong> ideellen Vorgaben gesellschaftlicher Praxis als den

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