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Geschichte und Geschichtsschreibung der deutschen ...

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Privatmann <strong>und</strong>. Ursprungsmythos 93<br />

Verantwortung immer auf ein ,Außen' projizierte" statt auf Seelisches<br />

(815). „Damit kommt dieses Werk einer in allen Menschen<br />

mächtigen Tendenz entgegen, Verantwortung zu fliehen, Schuld abzuwälzen<br />

auf an<strong>der</strong>e o<strong>der</strong> auf die Verhältnisse, ... <strong>und</strong> die mühsame,<br />

nie zu einem Ende gelangende, immer neue Fragen aufwerfende<br />

Auseinan<strong>der</strong>setzung mit <strong>der</strong> eigenen Wahrheit" — ihr Ort ist die<br />

Innerlichkeit des Privatmannes — „zu ersetzen durch den Glauben an<br />

eine ... absolute Wahrheit außer mir, die es mit radikalen Methoden<br />

durchzusetzen gilt" (815). — „Es war also nicht so, daß Marx ein<br />

Gesetz entdeckt hatte, das die Welt bestimmte, son<strong>der</strong>n er hatte<br />

ein Gesetz, das ihn bestimmte, auf die Welt projiziert: das Gesetz<br />

seiner heillos entfremdeten, gespaltenen Seele ..." (533). Wozu trieb<br />

ihn dies psychische Gesetz? Es folgt das Programm <strong>der</strong> Aufklärung<br />

<strong>und</strong> des Humanismus, das Programm <strong>der</strong> besten bürgerlichen Tradition,<br />

wenngleich ausgesprochen in <strong>der</strong> Sprache <strong>der</strong> gegenaufklärerischen<br />

Tradition denunziatorischer Verzerrung: „die Überwindung<br />

<strong>der</strong> Entfremdung, das Heil in <strong>der</strong> Selbstvergottung des zum Schöpfer<br />

seiner selbst <strong>und</strong> <strong>der</strong> Welt proklamierten prometheischen Menschen<br />

zu suchen..." (533). Darum auch ist Marx vomDämon besessen: weil er,<br />

kurz gesagt, „Gott mit Hilfe <strong>der</strong> Hegeischen Dialektik begrifflich um<br />

seine Existenz gebracht, um-gebracht" hat (515), Gott aber nach C. G.<br />

Jung eine notwendige psychologische Funktion ist (411) 6 . „Und als<br />

hätte er die Psyche von Karl Marx analysiert, schreibt C. G. Jung:<br />

,Wenn also jemand auf die seltsame Idee kommt, Gott sei tot o<strong>der</strong><br />

sei überhaupt nicht, so kehrt das psychische Gottesbild ... ins Subjekt<br />

zurück <strong>und</strong> erzeugt Gottähnlichkeit... Diese ... erregt alles Böse<br />

in ihm. Es entsteht ein infernalisches Zerrbild vom Menschen ... Von<br />

dieser Fratze ist <strong>der</strong> Mensch gequält, <strong>und</strong> darum quält er an<strong>der</strong>e'"<br />

(419). — Nachdem die Entfremdungstheorie erledigt ist, wendet<br />

Künzli seine diagnostischen Fähigkeiten an die Klassentheorie von<br />

Marx <strong>und</strong> sieht auf den ersten Blick, daß diese „primär nicht das<br />

Produkt einer wissenschaftlichen Analyse, son<strong>der</strong>n eine Projektion<br />

subjektiver Seelen-Inhalte war" — wieso Marx sein Leben lang „sich<br />

unbewußt fürchtete, durch eine nachträgliche wissenschaftliche Analyse<br />

die Legitimität <strong>der</strong> Projektion in Fragé zu stellen" (700 f.). —<br />

Daß Marx klar die Rolle <strong>der</strong> Gewalt in den Klassenkämpfen sieht —<br />

in Künzlis Jargon <strong>der</strong> Gegenaufklärung: „daß Marx die Gewalt tatsächlich<br />

als eine transzendente Potenz auffaßte" (703) — wird nach<br />

dem Schema des Zurück „wesentlich auch auf seine persönliche psy-<br />

6 In diesem Zusammenhang entdeckt Künzli bei Karl Marx „etwas<br />

Erstaunliches: Für ihn war die Transzendenz a priori nicht vorhanden"<br />

(514). — Solchen „so unangenehmen" Fragen wie <strong>der</strong> nach <strong>der</strong> Erschaffung<br />

des Menschen o<strong>der</strong> <strong>der</strong> nach <strong>der</strong> Unsterblichkeit ging Marx, wie<br />

Künzli stirnrunzelnd rügt, faul <strong>und</strong> feige aus dem Weg (532). Hätte er<br />

nicht vor <strong>der</strong> Frage die Augen verschlossen, „wieso etwa die Affen auf<br />

einer bestimmten Entwicklungsstufe stehen blieben, <strong>und</strong> sich nicht ihrerseits<br />

zu Menschen weiterentwickelten", dann wäre er „gezwungen gewesen,<br />

über naturwissenschaftlich Erkennbares hinaus nach jenem Transzendenten<br />

zu fragen ..." (534).

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